Fremde Federn
als seien sie dieser Mann, damit die Menge, die sich da versammelt, abzieht. Beverly hat vielleicht gemerkt, daß es der Falsche war, daß es ein Trick war. Sie hatte recht. Sie trieb sich noch ein bißchen dort herum. Und wurde umgebracht.« Sergeant Wiggins bahnte sich mit einem Glas Sprudel den Weg zum Tisch. Er nahm Platz. Ellen erzählte weiter.
»Beverly hat ein paar Seminare bei mir gemacht. Drei, um genau zu sein.« Sie runzelte die Stirn. »Ich glaube, sie mochte mich - ich weiß nicht, warum. Sie war ihren Lehrern gegenüber entsetzlich kritisch eingestellt. Eines kann ich definitiv über sie sagen: Sie war sehr klug. Intelligent, und sie hatte viel Phantasie. Und war außerordentlich gut in der Forschung - sie hatte einen Blick und Sinn für Details. Sie war studentische Hilfskraft bei Owen Lamb, und er ist ziemlich anspruchsvoll. Dann fragte sie mich, ob sie diese Zeitungsberichte als Thema einer Hausarbeit verwenden könnte, die ich aufgegeben hatte.« Ellen wühlte in ihrer Tasche und brachte ein paar Zeitungsausschnitte zum Vorschein. »Ich sagte, ja, natürlich. Es klang interessant. Ich bin überzeugt, sie wollte sich, na ja, vielleicht nicht an der Lösung eines Falls versuchen, aber sie wollte so was Ähnliches wie Dupin machen - Sie kennen Poes Erzählung >Das Geheimnis der Marie Roget« Alle außer Wiggins nickten. Er rührte mit finsterem Blick in seinem Sprutzlerwasser. »Ich habe also sehr viele ihrer Notizen gesehen, weil sie in Abständen immer mal zu mir kam, um meine Meinung zu hören.« Ellen zog noch mehr Papiere aus ihrer Tasche mit dem Logo des alternativen Fernsehsenders Maryland Public Television. »Beverly ist an dem Tag, als sie umgebracht wurde, bei mir gewesen. Und dieses ganze Zeugs hat sie bei mir gelassen.« Ellen legte zwei Ausschnitte nebeneinander. »Ich weiß nicht genau, was sie an den Zeitungsberichten fand, aber sie muß gedacht haben, daß zwischen den beiden Morden eine Verbindung bestand.«
»Zwischen welchen beiden Morden?«
Ellen zeigte auf eine Meldung, einen kurzen Artikel aus der Baltimore Sun . »Ein alter Mann, ein Obdachloser, der John-Joy hieß, wurde tot in der Cider Alley gefunden. Das ist eine enge kleine Straße, die von der Lexington abgeht, nicht weit vom Markt. Er wurde von einem anderen Obdachlosen gefunden, auch einem alten Burschen, mit dem er immer zusammengesteckt hatte. Der andere heißt Milos, seinen Nachnamen scheint niemand zu kennen. Milos lungert meistens - zum Betteln, wissen Sie - vor einem Laden rum, der Patrick Muldares Bruder gehört. Seinem Halbbruder, Stiefbruder - ich weiß nicht genau. Milos ist blind und taub. Aber er ist nicht stumm. Er kann vollkommen deutlich sprechen. Vollkommen deutlich schreien, besser gesagt. Wie viele taube Menschen spricht er immer sehr laut. Der andere Mord, von dem Beverly anscheinend glaubte, er stehe damit in Zusammenhang, wird Sie überraschen.« Jetzt sprach sie Jury direkt an und schob ihm den zweiten Ausschnitt zu.
Jury sah von dem Ausschnitt zu ihr. »Philip Calvert? Der Philip Calvert?«
»Hm, zwei wird’s wohl nicht geben, oder? In Philly?«
Dieser Artikel war länger als der andere und aus dem Philadelphia Inquirer ausgeschnitten. Jury überflog ihn und gab ihn Wiggins. Ellen fuhr fort: »Und dieses Papier hier steckte zwischen den ganzen Aufzeichnungen und Notizen
- eigentlich nur Gekritzel, aber hier stehen drei Paar Initialen. Sehen Sie?« Sie fuhr mit dem Finger über die Buchstabengruppe: P. C, J.-J., P. M. »Und hier steht >Barnes Found<.« Sie zeigte auf das schräg Hingeschriebene. »Das muß die Barnes Foundation sein, nicht weit von Philadelphia. Aber hier, P. C, P. M. und J.-J. - sehen Sie?«
Jury betrachtete die aus einem Notizbuch herausgerissene Seite, Wiggins schaute ihm über die Schulter.
»Ich hätte wahrscheinlich gar nicht weiter darüber nachgedacht, wenn das J.-J. nicht einen Bindestrich gehabt hätte. Ich meine, es kann sich nur auf John-Joy beziehen. Und die Barnes Foundation führt zu Philip Calvert.«
»Aber wer«, fragte Melrose, »ist P. M.?«
»Ellen meint, es bezieht sich auf mich.«
Die Stimme hinter Plants und Jurys Rücken gehörte dem gutaussehenden Mann vom anderen Ende des Tresens, dem Jury zugewinkt hatte.
»Patrick Muldare«, sagte Ellen und machte alle miteinander bekannt. »Er ist ein Kollege von mir, an der Hopkins.«
Muldare lachte. »Das würde ich kaum so sagen.«
Sein Alter war schwer zu schätzen, denn Patrick Muldare hatte ein
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