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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gesicht, das bestimmt ewig jungenhaft wirken würde, besonders wegen seines wehenden, widerspenstigen Haars, das er immer wieder zurückstreichen mußte. Er ließ eine Hand auf Ellens Schulter fallen und lächelte alle an. Auch Ellens Hand fiel automatisch auf seine und tätschelte sie freundschaftlich. Jury hielt beide Gesten für unbewußt; nichts schien sich zwischen Ellen und Muldare abzuspielen. Aber Plant, sah Jury, beobachtete das Manöver mit Argusaugen.
    Ellen lud Muldare ein, sich zu ihnen zu setzen. Aber mit einem Feingefühl, das Jury ungewöhnlich fand, lehnte Muldare ab; er schien mitbekommen zu haben, daß sie eben erst angekommen waren und vermutlich keinen Fremden bei ihrem Wiedersehen gebrauchen konnten. Und vielleicht war ihm auch Plants Reaktion nicht entgangen. Er blieb stehen und trank einen Schluck Bier.
    »Wir haben gerade über Beverly geredet«, sagte Ellen.
    »Glauben Sie, daß es meine Initialen sind? Warum es ausgerechnet meine sein sollten, weiß Gott allein.«
    Jury lächelte ihn an. »Die Frage ist, ob Sie glauben, daß diese beiden Anfangsbuchstaben für Ihren Namen stehen.«
    Muldare zuckte die Achseln. »Na, das will ich doch nicht hoffen.« Er schaute in die Runde. »Angesichts dessen, was den beiden anderen passiert ist.« Trotz dieser Bemerkung strahlte er sie gänzlich unbekümmert an.
    Ellen sah zu ihm auf, wollte etwas sagen, hielt inne und meinte dann: »Ich weiß nicht, warum sie mir das alles gegeben hat ...«
    »Sie hat dir vertraut, nehme ich an. Wer nicht?« Muldare lächelte alle noch einmal an und ging zurück zum Tresen.
    »Er unterrichtet?« fragte Jury.
    Ellen lachte. »Nur ein Seminar, nur aus Spaß. Er ist einer der reichsten Männer Baltimores. Schwimmt im Geld. In altem Geld. Sehr altem Geld. Und das alte Geld hat eine Menge neues Geld geheckt. Hauptsächlich im Baugewerbe. Angeblich ist er ein glänzender Geschäftsmann, aber er kommt ja auch aus einer alten Familie mit glänzenden Geschäftsleuten - Grundstücksgeschäfte, das Übliche. Und er ist kaum älter als dreißig. Zweiunddreißig, glaube ich. Er wohnt in Fells Point, drüben in der Shakespeare Street. Er lebt eigentlich sehr bescheiden. Man würde gar nicht merken, daß er soviel Geld hat, wenn er nicht den Tick mit dem Football hätte.«
    »>Tick mit dem Football    Da schien Ellen anderer Meinung zu sein. Sie ignorierte die Frage. Jury schwieg eine Weile, dachte nach und beäugte die blubbernde Flüssigkeit im Glas seines Sergeant. Er zog die Stirn in Falten - angesichts des Glases und weil er etwas überlegte. »Und Sie meinen, Beverly Brown wurde wegen der Informationen, die sie gesammelt hatte, oder wegen etwas, das sie wußte, ermordet?«
    »Nicht unbedingt.« Wie ein Zauberer aus seiner Tasche voll Zauberutensilien zog Ellen diesmal ein paar getippte Seiten und ein Stück Papier in einer Plastikhülle hervor. »Sie könnte auch deswegen ermordet worden sein.«
Kapitel 11
    Jury betastete die vergilbte Seite in der schützenden Plastikhülle. Sie war tintenverkleckst und stockfleckig. Über das Papier hinweg schaute er Ellen ein paarmal fragend an, sagte aber nichts, sondern fing an vorzulesen:
    Violette Von Edgar Altan Poe
    Madam,
    ich kann Ihnen nicht mit Gewißheit sagen, wann ich die Bekanntschaft des Gentleman machte, den Sie als »William Quartermain« bezeichnen, denn ich kannte ihn nur als M. Hilaire P- und besuchte ihn ein einziges Mal in einem großen, verfallenden, düsteren Haus an der Seine. Die Begleitumstände unserer Begegnung und der darauf folgenden Bekanntschaft waren höchst ungewöhnlich.
    M. P- erschien zum erstenmal vor mir - eine seltsame und unirdische Erscheinung, es war, als habe sich plötzlich aus dem wogenden Bodennebel ein Gespenst oder ein Geist gebildet und die Gestalt eines lebendigen Menschen angenommen.
    Während Jury das schwer zu entziffernde, handgeschriebene Manuskript stockend vorlas, schob Ellen ihm noch ein paar Seiten hin. Sie waren mit der Schreibmaschine getippt. »Sie hat es abgetippt. Beverly, meine ich.«
    Melrose schaute sich die Seite an, die Jury weggelegt hatte, und Jury fing wieder an zu lesen:
    Madam,
    ich kann Ihnen nicht mit Gewißheit sagen, wann ich die Bekanntschaft des Gentleman machte, den Sie als »William Quartermain« bezeichnen, denn ich kannte ihn nur als M. Hilaire P- und besuchte ihn ein einziges Mal in einem großen, verfallenden,

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