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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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das Arschloch, verzeihen Sie meine Direktheit, bringt den falschen Onkel um. Schon mal so was Irres gehört?« Hughie brach in dröhnendes Gelächter aus. »Hm, so Sachen passieren doch bei Ihnen drüben wahrscheinlich alle Naselang.«
    »Das glaube ich nicht. Wo ist nun die Westminster Church?«
    »Nicht mehr weit. Aber wissen Sie, was da passiert ist - ich meine, an Poes Grab?« Melrose verneinte. »Vor einer Woche wurde da ein Mädchen ermordet. Ham Sie da noch Töne?«
    »Ich glaube, ich habe davon gelesen.«
    »Ne Schwarze. Hopkins-Studentin. Vermutlich vergewaltigt, aber die Polizei läßt ja nie was raus.«
    Melrose fragte sich, ob Hughie vielleicht etwas wußte, das ihnen weiterhalf. »Was haben sie denn -?«
    Aber Hughie, nie um ein Thema verlegen, war schon beim nächsten. Und wieder über die Schulter nach hinten sagte er: »Mir fällt gerade ein, ham Sie Diner gesehen?«
    »Was?«
    »Den Film. Diner . Wenn Sie was über Baltimore wissen wollen, gucken Sie sich den Film an. Der Typ, der Regisseur, is aus Baltimore, und er hat die ganzen Filme über Baltimore gemacht. Tin Men heißt der zweite. In Diner spielt Mickey Rourke mit. Und Danny DeVito in Tin Men. Es ist über diese Vetretertypen - wissen Sie, die Aluminiumverkleidungen verhökern und so.«
    »Klingt spannend«, sagte Melrose und schlug eine Seite in Fenster um.
    »Es ist eine Trilogie. Wie heißt noch gleich der dritte?« Mit einem herzhaften Schlag aufs Steuerrad versuchte Hughie seiner Erinnerung nachzuhelfen. »Mist, verdammter, der letzte? Egal, der Regisseur hat’s nun mal mit Baltimore. Wie heißt er bloß?« murmelte er in sich hinein.
    Melrose seufzte. Noch eine Trilogie. Das Leben nahm definitiv eine triadische Gestalt an.
    Westminster Church war ein nicht sonderlich attraktiver brauner Ziegelsteinbau in der Nähe des riesigen Lexington Market. Auf dem kleinen Friedhof herrschte nicht die Atmosphäre von Vergänglichkeit, die man auf englischen Friedhöfen fand. Keine umgekippten Grabsteine, von wildem Wein und rankendem Efeu überwuchert, keine mit schwammigem Moos überzogenen Hügel.
    Am Eingang gab es zwar ein schönes Denkmal von Edgar Allan Poe, aber das Grab selbst lag am Ende des Pfades im hinteren Teil. Melrose und Hughie betrachteten den leicht abgesunkenen Boden und das Grab, auf dem ein Bukett rosafarbener Plastikblumen lag. Wo waren die Rosen, dachte Melrose ein wenig traurig.
    »Avalon!« sagte Hughie plötzlich und schnipste mit den Fingern.
    »Was?«
    »Der Filmtitel. Sie wissen schon, der dritte Film von dem Regisseur, an dessen Namen ich mich nicht erinnern kann. Avalon ist der dritte. Also, es ging um so eine Einwandererfamilie - ich nehme an, die Familie von dem Regisseur, seinen Großvater und so weiter.«
    »Avalon war doch die Insel von König Artus«, sagte Melrose, »es waren die Gefilde der Seligen.«
    »Ach, das isses bei Ihnen? Na ja, hier isses ein Film.«
    Während Hughie ihn über die Geschichte der Einwandererfamilie ins Bild zu setzen versuchte, betrachtete Melrose das Grab des Dichters und dachte über Beverly Brown nach. Er drehte sich um und ging langsam über den Pfad zurück, der um die Kirche und zum Poe-Denkmal führte. Hughie folgte ihm und redete unaufhörlich. Kaum hatte er die Filmtrilogie fertigerzählt, verwöhnte er Melrose mit einer Kostprobe seiner trefflichen kriminalistischen Fähigkeiten. »Das Mädchen, das sie umgebracht haben, muß hier gelegen ham«, sagte Hughie und breitete die Arme aus, um ein Stück Gehsteig neben dem weißen Marmordenkmal zu bezeichnen. »Sehen Sie den Rinnstein da? Da ham sie die Leiche gefunden.« Er umklammerte seinen dicken Hals mit beiden Händen und demonstrierte, wie es ist, wenn man erdrosselt wird.
    »Warum hier?« fragte Melrose, mehr sich selbst als Hughie.
    »Vielleicht wollte sie einen Blick auf den komischen Kauz erhaschen, der immer mit den Blumen und dem Sekt antanzt. Jedes Jahr, wenn der Typ Geburtstag hat.« Er nickte in Richtung der Statue. »Am neunzehnten Januar. Wer weiß? Vielleicht hat der Spinner sie ins Jenseits befördert.« Er legte sich wieder die Hände um die Kehle.
    »Das ist unwahrscheinlich. Was hätte er für ein Motiv?«
    »Hm, ja.« Hughie kratzte sich am Hals. »Wolln Sie Lexington Market sehen? Der größte Markt hier im Osten.«
    »Vielleicht ein anderes Mal.« Es war immer noch früh, noch nicht einmal eins, aber Melrose hatte für den heutigen Tag die Nase voll vom Besichtigen. »Ich muß jemanden in der Johns Hopkins

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