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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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nicht schwerfallen, weil ich gar nicht weiß, über wen Sie reden.«
    Er folgte ihr, zwängte sich zwischen Stühlen und rucksackbeladenen Tischen hindurch und überlegte, wie jemand in einer Blutlache liegen und »nicht unbedingt« tot sein konnte. Hm, es war sinnlos. Fenster war eindeutig kein Krimi a la Onions.
    Ellen nickte einem Mann mittleren Alters zu. Spärliches Haar, spitze Nase und dünner, sehniger Körper wie ein Tänzer. »Er ist ein Arsch.«
    »Ein erfolgreicher Arsch? Ihr Fachbereich ist doch erfolgsverwöhnt.«
    »Da müßten Sie ihn aber mal hören. Wir sind nicht im selben Fachbereich. Er lehrt Englisch; ich unterrichte in dem Programm für Hörer aller Fachbereiche. Er hat, glaube ich, ein paar kleinere Bändchen veröffentlicht, vielleicht ein Buch, nichts Weltbewegendes. Obskure Gedichte.«
    »Wie heißt er, haben Sie gesagt?«
    »Vlasic. Alejandro, will er die Leute glauben machen. Ich nenne ihn Alex. Da wird er immer stinkwütend.«
    Vlasic machte nicht den Eindruck, als sei er allzu versessen darauf, das Rampenlicht mit einer Schriftstellerkollegin zu teilen, schon gar nicht mit einer unendlich viel erfolgreicheren, aber tapfer stellte er sich der Herausforderung, lächelte breit und rief lauthals ihren Namen. Melrose war überrascht. Der Mann hatte eine Stimme wie ein Opernsänger. Melrose hatte etwas eher Piepsiges erwartet.
    »Hallo, Alex.«
    Vlasic zuckte merklich zusammen, als Ellen Melrose als Experten auf dem Gebiet der französischen Romantik vorstellte, was dieser in aller Bescheidenheit dementierte. Woraufhin Ellen das Dementi dementierte.
    Die beiden Mädchen, die an Vlasics Tisch saßen, drehten synchron die Köpfe. Sie trugen Bauernröcke und formlose Blusen. Eine trug Ohrringe, so groß wie Autoreifen, die andere hatte sich einen langen Schal um den Kopf geschlungen. Sie waren dunkel und sahen aus wie Zigeunerinnen.
    »Was macht das neue Buch?« Vlasics Lächeln war so unaufrichtig, wie ein Lächeln nur sein kann.
    Ellens Kiefermuskeln spannten sich an, aber sie zuckte mit keiner Wimper. »Ganz gut.« Sie schnitt ihre Quarktasche in gleich große Häppchen.
    »Wächst und gedeiht, hm?«
    Der Mann hatte etwas aufreizend Glattes. Melrose dachte, er würde sich jeden Moment zusammenrollen und schnurren.
    »Keine Probleme.«
    »Wir haben gerade über den schöpferischen Prozeß diskutiert.«
    »Den was?« sagte sie mit unbeweglicher Miene.
    Eine der Zigeunerinnen beugte sich zu Ellen vor und sagte im Ton dunkler Prophezeiungen: »Ich habe eigentlich weniger die Angst, daß ich das Talent nicht habe, als die, daß ich solche Opfer nicht bringen könnte.« In einer hübschen Geste nahm sie mit den beringten Fingern einer Hand das Ende des Schals und zog es über die Wange. »Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob ich den Nerv hätte, mich so zu entblößen.« Sie flötete ein dünnes hohes Lachen. »Und ich weiß nicht, ob ich es schaffen würde, mich so hineinzuwerfen, wie es nötig wäre. Das bereitet mir Kopfzerbrechen.«
    »Würde es mir auch.« Ellen kaute ihren Kuchen, zog einen leeren Stuhl zu sich heran und pflanzte die Füße darauf.
    Die Zigeunerin warf Vlasic einen unsicheren Blick zu und versuchte es mit einer anderen Taktik. »Es muß aber doch sehr befriedigend sein, für etwas, woran man so lange und so hart gearbeitet hat, Anerkennung zu finden. Es muß wundervoll sein, seine Gefühle zu formen und zu behauen, einen Teil der Psyche herauszukristallisieren und so darzustellen, daß andere daran teilhaben können.«
    »So? Keine Ahnung. Jeder Blödian kann schreiben«, sagte Ellen.
    Melrose war begeistert; ihm fiel auf, wie gut Ellen und Johanna die Wahnsinnige sich verstanden hätten.
    »Ha!« blaffte Vlasic mit überschnappender Stimme. Er schlug mit der Hand auf den Tisch, daß die Tassen klapperten. »Ha!«
    Ellen betrachtete ihn ungerührt. »Es stimmt. Selbst er könnte es, wenn er es versuchte.« Sie zeigte mit dem Daumen auf Melrose.
    Verbannt in die Zunft schreibender Idioten, fühlte Melrose sich nicht bemüßigt, seinen Senf dazuzugeben, und deutete nur eine Verbeugung an. An den kläglichen Schreibversuchen dieses spezifischen Idioten schien aber ohnehin keiner interessiert zu sein; ihre Blicke bezogen ihn nicht ins Gespräch mit ein.
    Die zweite Zigeunerin war offenbar todunglücklich bei der Vorstellung, daß die erste Ansichten über etwas geäußert haben könnte, das jeder Blödian konnte. »Sie sind zu bescheiden.« Ihre Stimme war rauher und viel

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