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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Unterbewußtsein gestromert bin, habe ich wahrscheinlich die weiße Schachtel Pralinen dort aufgetan.« Ellen schwieg und schaute in den schiefergrauen Himmel. »Hm, was, wenn so etwas quasi unvermeidlich wäre? Was, wenn in Beverlys Geschichte solche Dinge stecken?«
    »Schwer zu bestimmen, was es ist.«
    »Vielleicht sogar unmöglich. Aber trotzdem, was, wenn in ihrer Wohnung ein Keramiktopf mit Ingwer steht? Nur als Beispiel. Was, wenn es etwas gibt, das sie jeden Tag angeschaut hat, ohne sich darüber klar zu sein, und es hat sich in die Geschichte hineingeschmuggelt?« Melrose hielt ihr die Tür zur Gilman Hall auf; die Studenten kamen herausgerannt wie die Lemminge. »Ich überlege, wie wir in ihre Wohnung hineinkämen«, sinnierte Ellen. Dann fügte sie mit einem Seufzer hinzu: »Aber selbst, wenn das Manuskript echt ist, hilft das immer noch nicht, ihren Mörder zu finden.«
    Melrose grübelte. »Vielleicht doch. Vielleicht gibt es in irgendeiner Weise einen Hinweis auf ein Motiv. Übrigens, wir waren so damit beschäftigt, Sie aus der Kette zu befreien und dann über reduktiven Symbolismus zu disputieren, daß ich vergessen habe, Ihnen zu erzählen: Ich habe das kleine Mädchen, Jip - Sie wissen, das kleine Mädchen in dem Antiquitätenladen, kennengelernt. Sie war da, als Beverly Brown die Truhe gekauft hat. Die Truhe hat noch einen Tag danach im Laden gestanden. Jip hat hineingeschaut.« Melrose hielt inne und runzelte die Stirn. War das eines der Geheimnisse, die er nicht bewahren konnte? Er schämte sich, was ihm ausgesprochen unangenehm war.
    »Wirklich? Und?«
    »Sie kann sich nicht genau erinnern. Aber ich habe den Eindruck, sie weiß etwas. Ich bin sicher.« Melrose runzelte wieder die Stirn und schüttelte den Kopf. »Auch einerlei, wir haben lange miteinander geplauscht.«
    »Worüber?«
    Melrose wechselte das Thema. »Was ist mit dem Rest des sogenannten Poe-Manuskripts? Kriegen wir es zu sehen?«
    »Ich bringe es heute abend mit.«
    »Soweit ich weiß, trifft Richard Jury sich mit diesem Professor Lamb, wenn er aus Philadelphia zurückkommt. Übrigens, wie läuft’s mit Ihrem Buch denn nun wirklich?«
    Sie zuckte zusammen. Sie haßte die Frage. »Ziemlich schlecht.«
    Sie gingen durch den Korridor, und Melrose sagte: »Was ich nicht verstehe« - wie so vieles nicht - »ist, warum Sweetie ihm einen Brief schreibt, kurz nachdem sie ihn am Ende von Fenster in einer Blutlache erblickt hat.«
    »Wer sagt, daß es Blut ist?« Ellen blieb vor dem Seminarraum stehen und nickte ein paar Studenten zu, die sich eher wie zufällig hierher verirrt zu haben schienen.
    Es war hoffnungslos, Ellen zum Reden zu bringen. »Wie soll das neue heißen?« Das gab ihm vielleicht einen Anhaltspunkt.
    »Das habe ich Ihnen schon gesagt. Türen.«
    Fehlanzeige. »Was ist mit dem dritten? Haben Sie dafür schon einen Titel?«
    »Nein.«
    »Flure? Veranden?«
    Ellen warf ihm einen bitterbösen Blick zu.
    Immer noch begierig, Maxims fragwürdiges Ende zu begreifen, sagte Melrose wie nebenbei: »Dann beginnen Sie Türen wahrscheinlich mit dem, was Maxim passiert ist?«
    »Warum? Alle wissen doch, was Maxim passiert ist.« Ellen segelte in den Seminarraum.
Kapitel 18
    Krampfhaftes Schluchzen hinter einer Tür; durch eine andere sah man offenbar in ein Labor. Drei Leute wieselten zwischen Apparaturen und blutverschmierter, auf einem Tisch ausgebreiteter Kleidung hin und her. Jury ging durch den Flur, verblichener Anstrich an den Wänden, auf dem Boden brüchiges Linoleum, an Sekretärinnen vorbei, die Nummern auf leere Ordner stempelten. Die Nummern hatten bis zu fünf oder sechs Ziffern. Jury fand es sehr ver-störend, daß die Ordner leer waren. Als trete das Schicksal gleich hinaus auf die Straße, unterbreche das alltägliche Tun eines Mannes, einer Frau oder eines Kindes und überantworte diesen Menschen einem der leeren Ordner, die sich allmählich wieder mit Polizeiberichten und Fotos aus dem Leichenschauhaus füllen würden.
    Er kam an einem großen Glasfenster vorbei, hinter dem eine Gruppe Zeugen saß (zumindest hielt er sie dafür). Auf einer Kunstledercouch pafften ein paar Frauen angestrengt um die Wette und stießen heftige Qualmwolken aus, als sendeten sie Rauchzeichen. Etliche schwarze Jugendliche mit an der Seite kahl und oben millimeterkurz geschorenen Köpfen schauten entweder gelassen oder ängstlich drein, je nachdem, welchen von ihnen ein Beamter auswählte und hinausbegleitete. Ein weiteres halbes Dutzend

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