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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ein kummervolles Gesicht und lange Ohren wie ein Basset, und döste auch.
    Als Jury und Wiggins auf dem Bürgersteig stehenblieben, sprangen Mann und Hund hellwach auf, der Hund winselte und schlug mit dem Schwanz, der Mann fuchtelte blind mit dem Becher und stieß ihn in ihre Richtung. »Einen Quarter! Haben Sie Kleingeld? Einen Quarter!« Es klang wie eine Forderung, nicht wie eine Bitte. Und die sprach er nicht aus, sondern brüllte sie ihnen entgegen.
    »Sind Sie Milos?« fragte Jury.
    Keine Antwort.
    Jury hatte einen Moment lang vergessen, daß der Mann taub war, weil er so gebrüllt hatte.
    Milos’ Hand schoß vor, er befahl: »Schreiben Sie es auf!« und zeigte auf seine Handfläche. Er fuhr darüber, als schreibe er.
    Jury malte » Milos« darauf - mit Fragezeichen.
    »Nein, Madonna!« Mit dem Ausdruck heller Empörung zeigte der Mann mit Hand und Becher auf das Schild hinter sich.
    Jury nahm die Hand erneut und versuchte, einen einfachen Weg zu finden, wie er sich ausweisen konnte, aber ihm fiel nichts ein. Sorgfältig schrieb er seinen Namen; Milos runzelte die Stirn. Jury schrieb »COP«.
    Rasch zog Milos seine Hand zurück. Dann versank er wieder in seinen buddhareifen Dämmerzustand, die Hände in die ausgefransten Ärmel gesteckt, den Kopf gesenkt.
    Sogar der Hund knurrte, als wolle er sehen, ob sie sich auch mit bissigen Hunden einen Scherz erlaubten. Dann steckte er die Schnauze zwischen die Pfoten.
    Ohne große Hoffnung auf Erfolg berührte Jury Milos am Arm.
    »Verpissen Sie sich!«
    »Es würde ihnen nichts schaden«, sagte Wiggins, als er und Jury die Treppenstufen hochkletterten, »wenn sie sich ein paar Manieren zulegten.«
    Der junge Mann legte das Buch, das er gelesen hatte, umgekehrt aufgeschlagen auf die Ladentheke. Er mußte sich keine Manieren zulegen, und was sein Outfit anbelangte, hätte er Marshall Trueblood Konkurrenz machen können, wenn er auch weit weniger blendende Farben bevorzugte. Seine an den Aufschlägen enger werdenden Bundfaltenhosen waren austernfarben; sein rosabeigefarbenes Baum-wolljackett war ausreichend dekonstruiert für Trueblood und Armani; und ebenso wie Trueblood trug er einen Seidenschal, aber hübsch ordentlich in den offenen Kragen seines Hemdes gesteckt, und blaß, blaß gelb.
    Angesichts der Vorherrschaft blauen Glases, prismageschliffener Spiegel mit Einlegearbeiten und wohlgerundeter Jungfrauen auf Zehenspitzen, die weiße Kugeln als Lampenschirme hielten, dachte Jury zuerst, der Laden handele mit Jugendstilsachen. Aber dann wurde ihm klar, daß es sich dabei um die Ausstattung des Ladens und nicht um die Waren handelte.
    Diese waren, wenn man nach der auf Pappe aufgezogenen Donald-Trump-Ausschneidefigur urteilte, ein ziemlich bunt zusammengewürfeltes Sammelsurium von Dingen, die von Pechsträhnen und schlechten Zeiten kündeten. Eine Schale mit Äpfeln war als »Trump-Gelump« ausgezeichnet, und ein Schild warnte den Kunden: »Achtung, Würmer!« Wiggins kicherte.
    Der Laden war für Wiggins wie geschaffen, definitiv das Milieu des Sergeant, eine Atmosphäre, in die er sich hineinfallen lassen konnte: Wiggins war immer auf Seiten der Pechvögel dieser Welt. Für den Sergeant war ein Becher halb leer, auf Sonnenschein folgte Regen, und falls morgen auch noch ein Tag war, ging Wiggins jedenfalls davon aus, daß sich genauso viele Bakterien herumtummeln würden wie heute.
    Nouveau Pauvre schien den Ruin zu zelebrieren, ein Loblied auf die Armut, einen Schwanengesang anzustimmen. Kleine Schilder zierten die grell weißen Wände:
    Im Eimer?
    In Sack und Asche?
    In der Bredouille?
    Im Regen?
    fragten sie, als sei sonnenklar, daß Kunden des Nouveau Pauvre diesen Zustand leicht überwinden könnten, wenn sie das eine oder andere aus seinen reichen Beständen käuflich erwarben.
    Als der junge Mann wie ein überdimensionales Blütenblatt auf sie zudriftete, begutachtete Jury einen wunderschönen Eßtisch aus Rosenholz mitten im Raum. Er war mit einem Tischtuch aus irischem Leinen und goldgerändertem Porzellan gedeckt. Auf dem Porzellan und den Stielgläsern prangten winzige Kronen, das Emblem eines Hotels, und die Servietten zierten gestickte, ineinander verschlungene Initialen.
    »Helmsley Palace«, informierte der hübsche Knabe sie. »Ich muß aber dazu sagen, daß es sich noch um die alten Servietten handelt. Jetzt haben sie schlicht rosefarbene.« Als Wiggins ihn verwirrt anschaute, fügte er hinzu: »Das Helms-ley Palace kennen Sie - Leonas Hotel? Das

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