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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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oder dessen, was immer mich peinigte, und der Schlaf werde mir diese seltsamen Bilder und Töne aus dem Kopf verscheuchen.
    Als ich des Morgens erwachte, die Fensterflügel aufschlug und das frische Grün des Grases und der Blumen in den Rabatten roch und das reine Blau des Himmels darüber sah, konnte ich die Vision der vergangenen Nacht an den ihr gebührenden Platz verweisen - was war es gewesen, wenn nicht ein Traum?«
    »Ja«, erwiderte ich, »nur das könnte die Erklärung sein ... Dennoch ...?«
    »Ah, dennoch.« Er lächelte mich an, seine Miene hingegen wurde nicht heiterer, sondern verzweifelter. »In der zweiten Nacht war das Fieber von mir gewichen, und ich schlief fester. Und dennoch, dieselbe Szene - die Duellanten, der schrille Schrei, der weiße Gegenstand, der durch die Luft wirbelte, das Hervorstoßen des Namens Violette! Es wiederholte sich, alles vollzog sich wiederum vor meinem Kammerfenster.«
    Ein heftiges Schaudern drohte ihn schier zu zerreißen; ich beugte mich vor: »Träume wiederholen sich oft -« Aber er winkte mich in meinen Sessel zurück.
    »Am nächsten Morgen ging ich tatsächlich in den Hof hinunter. Spuren der Szene, deren Zeuge ich geworden war, konnte ich indes nicht entdecken, und ich kehrte in meine Wohnung zurück. Ich schrieb die ganze Angelegenheit einer erschöpften und überreizten Einbildungskraft zu. Und in der Nacht, der dritten Nacht -« Er hielt inne und schüttelte den Kopf. »Sie werden sich fragen, warum ich nicht sofort nach dem ersten Schrei hinunterging. Ich kann nur sagen, ich war wie mesmerisiert, ich fühlte mich gezwungen, die Pantomime anzuschauen und den Namen zu hören, der mittlerweile von den kalten Steinen des Hofes widerhallte - Violette, Violette, Violette -«
    Melrose schüttelte heftig den Kopf. Was war das?
    Sprechchöre ertönten vom Tresen: »De-fense! De-fense! De-fense!« Jury hatte innegehalten, und Melrose blinzelte ein paarmal in Richtung der flimmernden Bilder auf dem großen Bildschirm. Auf den Gesichtern der Footballfans und den Tischen spiegelte sich das Licht wie blaue Flammen.
    »Weiter!« kommandierte Wiggins.
    »Was, zum Teufel, machen wir hier eigentlich?« Ungehalten, daß er sich überhaupt in diese Geschichte hatte hineinziehen lassen, stand Jury auf, sammelte die Gläser ein und verschwand in dem Getümmel am Tresen.
    Wiggins rief hinter Jurys Rücken her: »Aber das war’s doch noch nicht, Sir, oder? Wer ist diese«, da Jury nun unerreichbar war, richtete er die Frage an Ellen, »diese Violette? Finden wir das nicht heraus?«
    »Nein«, sagte Melrose, der Jurys Weggehen und die Tatsache, daß dieser nun mit etwas anderem beschäftigt war, ausgenutzt, die Seite genommen und zu Ende gelesen hatte. Wie Jury war er eigenartig vergrätzt, daß sie sich von dieser höchst windigen Geschichte alle hatten einfangen, ja, fesseln lassen. Würden ihn in Zukunft nicht nur Maxim und Sweetie verfolgen, sondern auch Monsieur P- und Violette? Wie lästig! Verstohlen zog er den schmalen Stoß Manuskriptseiten an sich. Vielleicht - »Legen Sie die wieder hin«, sagte Ellen.
    Jury kam mit den Gläsern zurück. »Ob das Manuskript nun echt ist oder gefälscht, es bringt uns keinen Deut weiter, was?«
    »Schaden kann es ja nicht«, sagte Wiggins, »wenn wir es zu Ende lesen.«
    »Es ist ja gar nicht vollständig«, sagte Melrose gereizt. »Fortsetzung folgt.«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich nicht mehr als ein paar Seiten auf einmal mit mir herumtragen will. Es sei denn, sie wollen mich auch hingemeuchelt auf dem Friedhof sehen.«
    »Warum hätte sie jemand angreifen sollen, wo sie doch das Manuskript gar nicht bei sich hatte?« fragte Jury.
    »Lesen Sie den Rest«, sagte Ellen, warf sich in Zuhörerpose und stützte das Kinn auf die Hände.
    Jury las:
    Wie gebannt heftete sich sein Blick auch jetzt auf das Flügelfenster, auf den sich bauschenden Samtvorhang, als erwarte er jeden Moment zu hören, daß der Name unten wieder hervorgestoßen wurde.
    »Nach der dritten Nacht begab ich mich wiederum in den Hof, ohne ein Zeichen des Duells zu finden, und als ich hineinging und mich an meiner Tür umdrehte, sah ich -«
    »Das Taschentuch«, sagte Melrose.
    »Was? Woher wollen Sie das denn wissen?« keifte Ellen.
    »Ich habe den Film gesehen - autsch!« Er rieb sich das Schienbein.
    Jurys Mundwinkel zuckten, aber es gelang ihm, sich das Lachen zu verbeißen.
    Wiggins beklagte sich bitterlich: »Mr. Plant, Sie verderben uns den ganzen

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