Fremde Federn
Teppiche, Porzellan, S tilm öbel. Melrose seufzte, nahm eines auf gut Glück heraus, öffnete es, verlor angesichts des enzyklopädischen Wissens, das dessen Lektüre schon voraussetzte, prompt den Mut und stellte es zurück. Das nächste, eines über Orientteppiche, legte er auf den Boden neben einen kleinen Melkschemel. Ein weiteres schob er wegen seines bloßen Umfangs gleich wieder zurück und entschied sich für ein beträchtlich schlankeres über Silber. Das nächste wanderte nur wegen des Titels auf den Stapel: Mordsdeal!. Ein letztes kam obendrauf, weil es so viele Abbildungen hatte.
Dann setzte Melrose sich auf den Melkschemel neben seinen bescheidenen Bücherstoß und nahm Mordsdeal! zur Hand. Es schien von größtem Unterhaltungswert zu sein. Er drehte es um und betrachtete das lächelnde Paar auf dem Rückumschlag: Bebe und Bob Nutting. Sie hatten es zusammen geschrieben. Er schlug es irgendwo auf und sah ein sehr grobgerastertes Foto von Bebe Nutting, neben einer Kuh stehend. Das war doch mal eine erfrischende Abwechslung in einem Antiquitätenführer. Er durfte nicht vergessen, es Trueblood zu zeigen. Auf der anderen Seite des Viehs stand sein neuer Besitzer, ein Mr. Hiram Stuck, der es in der Überzeugung käuflich erworben hatte, daß die Kuh ein direkter Abkömmling »der durch das Volkslied bekannten Missus O'Leary war. Hier sind die Papiere«. Melrose freute sich über das anatomische Wunder. Mr. Stuck gehörte zu den von Bebe und Bob interviewten Menschen, die auf die Tricks von Schwindlern hereingefallen waren.
Die Kuh war das einzige angeblich wertvolle lebende Wesen mit einer (wenn auch zweifelhaften) Herkunftsbescheinigung. Die Owens würden ihn hoffentlich nicht auf einen Rundgang durch die Ställe mitnehmen, damit er das Vieh schätzte. Ansonsten ging es in dem Buch um die üblichen Dinge, Silber, Limoges-Porzellan, Sofas, Vasen und dergleichen.
Eine Weile blieb Melrose auf dem Melkschemel sitzen, las und amüsierte sich. Dann suchte er sich zwei andere Bücher aus dem Stapel heraus, eins über Teppiche und einen Preisführer, und trug sie zusammen mit Mordsdeal! in den vorderen Teil des Ladens.
Theo Wrenn Browne reparierte einen Bucheinband und telefonierte dabei leise. Demonstrativ drehte er sich weg, senkte seine Stimme noch mehr und legte dann auf. »Das wär's, Mr. Plant?« Er nahm Melrose die drei Bücher aus der Hand.
»Ja, wunderbar.«
Browne schnaufte kurz und tat empört. »Also wirklich, Mr. Plant, ich glaube nicht, daß diese Herrschaften sehr hilfreich sind«, sagte er mit einem herablassenden Blick auf die glückstrahlenden Nuttings.
»Man kann ja nie wissen. Haben Sie es denn gelesen?«
»Ja. Ein dämliches Buch, aber manche Leute mögen so was ja.« Er rümpfte die Nase.
»Hm, hm.« Melrose warf ein paar Scheine auf die Theke, sah zu, wie Browne einen Text in den Computer tippte, der beinahe so lang war wie ein Buch, und hörte dann zu, wie das Gerät summte und piepte.
»Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich das sage -«
Melrose wußte schon, daß es ihn störte.
»- aber Sie tun Sally Finch keinen Gefallen, wenn Sie sie für schlechtes Betragen belohnen.«
»Aber Sally war es doch gar nicht. Es war Jon! Haben Sie nicht zugehört?«
Theo Wrenn Browne bedachte Melrose mit einem vernichtenden Blick und packte die Bücher in eine Tüte.
8
»Lincolnshire«, sagte Melrose, ohne auch nur von seinem Buch aufzuschauen.
»Lincolnshire? Warum denn das? Du kennst doch gar niemanden in Lincolnshire.« Agatha nahm sich noch ein Scone.
Melrose lächelte. Nicht zu ihr hinüber. Sie würdigte er keines Blickes, sondern amüsierte sich über einen Bericht von einem Antiquitäten- und Trödelmarkt in Twinjump, Idaho, in Mordsdeal!. Auf dem Boden neben seinem Sessel lagen die beiden dicken Bände, die Trueblood ihm zusätzlich zu dem Preisführer aufgehalst hatte. Letzteren hatte er gestern den ganzen Abend und heute morgen studiert. Er wollte sich auf seinen Trip nach Lincolnshire am nächsten Tag gut vorbereiten und hatte sich vollgestopft, bis ihm der Schädel brummte. Nun hatte er leichtere Lektüre verdient, und Mordsdeal! war genau das richtige.
Dribble's, den Preisführer, hatte er äußerst hilfreich gefunden und sich getestet, indem er seine eigenen Sachen schätzte. Das Schäferpärchen aus Staffordshi-reporzellan auf seinem Kaminsims wurde zu seiner Überraschung ziemlich hoch bewertet. Dabei sahen sie todlangweilig aus. Sein Blick wanderte nun zu der
Weitere Kostenlose Bücher