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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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immer im Kreis um das winzige Dorf Cowbit gekurvt. Dabei war er an einem frisch gestrichenen Cottage vorbeigekommen, auf dessen Türbalken in schwarzer Schönschreibschrift »The Red Last« stand. Er hatte angehalten, eine Weile im Auto gesessen und überlegt, was es bedeutete. War wahrscheinlich einmal ein Pub gewesen. Ulkiger Name, The Red Last.
    Nach einigen weiteren Schleifen gelangte er endlich wieder auf die A17. Vor und um sich herum sah er das Marschland, das sich gen Süden und Osten bis Cambridgeshire und die Black Fens erstreckte. Zu beiden Seiten der Fahrbahn war der Boden hartgefroren, kreuz und quer verliefen Kanäle und Entwässerungsgräben. Da die Fens in Lincolnshire auch manchmal als »Kleinholland« bezeichnet wurden, vermutete Melrose, daß diese kalten braunen Ackerflächen bald ein einziges Farbenmeer sein würden. Wenn es bei Frühjahrsbeginn in leuchtendroten, tiefvioletten und gelben Tönen im Sonnenlicht schimmerte wie Buntglasfenster, mußte es herrlich sein.
    Gott sei Dank, da war ein Wegweiser. Die Strecke nach Spalding war klar und einfach. Aber 200 Meter zuvor hatte er das einladende Schild eines Pub vorüberfliegen sehen und bremste vorsichtig ab, weil er wußte, wie schnell Truebloods Lieferwagen fuhr -hundertzwanzig Stundenkilometer, nicht übel. Er machte eine volle Kehrtwendung und fuhr zurück. Er wußte ja schon, daß er für Fengate Anweisungen brauchte, und wo bekam man die besser als in der Dorfkneipe? Er parkte, faltete die Straßenkarte zusammen und steckte sie in die Tasche. Auf dem Weg in die Gaststube ließ er sich die Teile, die Max Owen bewertet haben wollte, noch einmal durch den Kopf gehen. Er durfte auch keinesfalls vergessen, daß Owen wissen wollte, ob sie echt oder unecht waren und wo sie herkamen.
    Sein Mut sank. Doch die Aussicht auf das gemütliche Treiben im Pub, die Gäste mit ihren Gläsern und Flaschen, das Stimmengewirr, einen netten Wirt hinter einem langen Mahagonitresen, munterte ihn auf. Bei seinem Eintritt mußte er indes feststellen, daß das Gespräch der Leute verebbte und dann ganz abbrach. Warum verstummten die Leute? Klar, weil der Anblick jedes x-beliebigen Fremden in ihrer Mitte tausendmal interessanter war als das immer gleiche alte Gequatsche.
    Die Gaststube war blau vom Qualm, hier wurde seit Stunden geraucht. Melrose nahm sein Pint Old Peculier und schlenderte zur Dartscheibe, deren zerstochene konzentrische Ringe von der Beliebtheit des Spiels zeugten. Er überlegte, ob er es noch konnte. Damals, mit fünfzehn, sechzehn hatte er es zu wahren Meisterehren gebracht. Oder bildete er es sich jetzt nur ein? Gehörte auch das zu seiner frei erfundenen Vergangenheit? Er beugte den Kopf und betrachtete die dünne Schaumschicht in seinem Glas. Das Unbehagen, das ihn immer befiel, wenn er an diese lange zurückliegenden Zeiten dachte, machte sich wieder bemerkbar. Er wurde müde, wußte aber, daß das nur Abwehr war.
    Während er sein Bier trank, überdachte er, wie er den Owens gegenübertreten wollte. Trueblood hatte ihn überredet, diesen Burgundertisch mitzubringen, damit seine Maskerade noch perfekter war. Er schaute an sich herunter. Er hatte sich für den Country-Look entschieden, für einen Wollpullover mit Ellenbogenflicken und seine Barbourjacke, überzeugt, daß sich darin und nicht etwa in Anzug und Weste der wahre Ästhet zeigte. Außerdem trug er eine sehr ähnliche Kappe wie die Männer am Tresen, die nun in ein freundliches Streitgespräch verwickelt waren. Waren es alte Fen-Männer? Abkömmlinge derjenigen, die im sechzehnten Jahrhundert einen großen Aufstand angezettelt hatten, weil die Gegend trockengelegt werden sollte?
    Vielleicht war es eine gute Idee, sich der Gruppe an der Bar zuzugesellen und eine Runde auszugeben. Das hatte sich noch immer als wirkungsvoller Eisbrecher erwiesen. In Anbetracht des Doppelmords in der Nachbarschaft sollte hier allerdings nicht mehr viel Eis zu brechen sein. Er gab dem Mann hinter dem Tresen, der wahrscheinlich auch der Besitzer war, durch Gesten zu verstehen, jedem etwas zu trinken zu geben. Zu dem Grüppchen ziemlich ungehobelt aussehender Männer gewandt, sagte er: »Tag, meine Herrn« und zu der einzigen Frau mit einer leichten Verbeugung: »Und meine Dame.«
    Sie murmelten einen Gruß und nickten.
    »Sie sind wohl aus London«, nuschelte einer, als ihm sein Glas hingestellt wurde.
    »Liebe Güte, nein!« Hoffentlich kam seine Verachtung für London und die Londoner rüber. »Ich bin aus

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