Fremde Federn
große Augen von undefinierbarer Farbe. Melrose hatte ihn sich stets in maßgeschneiderter Garderobe vorgestellt, doch nun sah er, daß ihn Kleidung nicht interessierte. Sein biederer Anzug war aus dunkelgrauem Kammgarn, die Krawatte hatte ein langweiliges Schottenkaro. Melrose hatte einen extravaganteren Mann erwartet - einen mit quittegelber Weste, dem man nicht trauen konnte.
Auf Grace' Worte, der Kaffee sei kalt, erwiderte Max, das mache gar nichts. Aber sie hätte sich natürlich doch um frischen gekümmert, wenn Annie ihm nicht mit einer neuen Kanne auf dem Fuße gefolgt wäre. Die Köchin verschwand so schnell, wie sie gekommen war.
Max nahm auf dem klobigen viktorianischen Polstersofa Platz, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus, als sei er an das Sofa gewöhnt und säße oft darin. Melrose hätte ein solches Möbelstück schwerlich bequem gefunden, aber dann dachte er, daß Owen wie Trueblood viel sensibler auf Möbel -»Dinge« - reagierte als er, Melrose. Sie fühlten sich mit Dingen wohl, für die er kein Gespür hatte.
»Tut mir leid, daß ich nicht hier war, um Sie zu begrüßen. Ich bin den ganzen Tag im Chiswick House gewesen. Sie verscherbeln das gesamte Inventar. Sie können sich vorstellen, daß ein paar schöne Stücke dabei waren.« Er trank seinen Kaffee und schaute Melrose mit aufmunterndem Blick an, als erwarte er eine Antwort.
In Anbetracht seines Hobbys mußte Melrose von diesem Verkauf etwas wissen. »Trueblood hat mir davon erzählt. Ich wäre mit ihm hingefahren, wenn ich nicht hierhergewollt hätte.«
»Ich kenne Ihren Freund Trueblood gar nicht. Aber ich hätte ihn sowieso nicht herausgefunden. Es waren ganze Heerscharen dort. Ein fürchterlicher Trubel.«
»Trueblood war hinter ein paar geschnitzten Kästen her. Sechzehntes Jahrhundert. Ob er sie wohl bekommen hat?« Ein solch kleiner Ankauf wäre ja sicher unbemerkt über die Bühne gegangen, und er hatte sich auch so vage ausgedrückt, daß Max Owen ihm hoffentlich keine weiteren Fragen stellte.
Der runzelte die Stirn. »Ich kann mich gar nicht erinnern, sie in dem Katalog gesehen zu haben. Egal, ich habe den Carlton-House-Schreibtisch abgeschleppt.«
»Hilfe, haben wir denn noch Platz?« Grace lachte kläglich.
Melrose war froh, daß sie sich einschaltete, denn Owen wollte ihn bestimmt über den Schreibtisch ausfragen. Er setzte sich auf die harte Sitzbank und hoffte, er würde nun nicht die Aufmerksamkeit auf dieses kunstvoll gedrechselte Teil lenken, weil er keine Ahnung hatte, wo es herkam. Aber irgendwo mußte er ja sitzen. Er hätte den Lederohrensessel nehmen sollen, der war Chippendale und damit basta.
Grace goß ihnen Kaffee nach und sagte: »Ich habe Mr. Plant von -«
»Sagen Sie nur Melrose. Danke«, lächelte Melrose.
Max setzte sich auf. »Soweit ich weiß, sind Sie adlig. Darf ich fragen, wie Sie heißen?«
»Ja, Earl of Caverness. Aber mir ist der Familienname lieber.«
»Warum?«
Ach, Mist. Gehörte Owen zu den Typen, die alles immer genau wissen wollten und kein Ohr für Zwischentöne hatten? »Titel sind lästig.«
»Ich hätte aber gern einen.« Max lehnte sich zurück.
»Na, dann tun Sie etwas partout nicht Außergewöhnliches, und Sie kriegen einen.«
Sie lachten, und Grace redete weiter: »Ich habe ihm von . dem, was passiert ist, erzählt. Mr. Plant ist ein Freund von Jennifer Kennington.«
»Ach! Sie hatte doch auch einen Titel, den sie abgelegt hat. Aber durch Heirat, da zählt er vermutlich nicht viel. Sie mochte ihn auch nicht.«
Wieder korrigierte Melrose Grace Owen. »Sie ist nur eine Bekannte. Ich habe sie in Stratford mal kurz kennengelernt.« Er hatte Grace darüber informiert, um die Folgen eines eventuellen Versprechers zu vermeiden, aus dem ersichtlich geworden wäre, daß er sie kannte.
»Was für ein Zufall.« War in Owens Gesicht etwas, die Spur eines Lächelns, das verriet, das könne doch kein Zufall sein?
»Und über Dorcas haben wir geredet«, fuhr Grace fort. »Es ist erst drei Tage her«, fügte sie traurig hinzu.
Max antwortete nicht, sondern schaute aus dem hohen Fenster. Der Abend setzte ein, und es wurde dunkel. Nebel bedeckte die Einfahrt und das Blumenbeet, und der Wald sah undurchdringlich aus. »Das arme Mädchen«, sagte er Sie fielen in Schweigen. Melrose hoffte, sie würden weiterreden. Interessiert konnte er sich zeigen, bei einem Doppelmord durfte man schon neugierig sein, einerlei, warum man hier war. Aber er war noch nicht lange genug bei
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