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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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melodramatisch? Er fühlte sich ja sogar richtig schuldig. Er war doch nur hier, weil er Jury helfen wollte. Und Jenny.
    »Nein«, antwortete er. »Es ist nicht mein Beruf. Ich bin Dilettant, der mit Begeisterung das Unechte und Gefälschte aufspürt. Absolut kein Profi. Ich sammle nicht mal selbst.« Um ihrem nachdenklichen Blick auszuweichen, deutete er mit dem Kopf auf die Bilder an der Wand, an der als einziger keine Bücher standen. »Ich muß sagen, die gefallen mir besser als die im Flur.« Mit diesem Urteil ging er kein Risiko ein.
    Grace lächelte. »Wir haben alle unseren blinden Fleck.«
    Hoffentlich war das nur eine nachsichtige Bemerkung zu den Geschmacksverirrungen ihres Mannes und nicht seinen.
    Da öffnete sich die Tür, und eine untersetzte Frau in den Sechzigern brachte ein Tablett mit Kaffee und Keksen. Sie hatte eine weiße Schürze umgeschlungen und sah auch ansonsten wie eine typische Köchin aus, so daß Melrose unwillkürlich an frischgebackenes Brot und Scones denken mußte. Sie hatte das Haar glatt nach hinten zu einem Knoten gekämmt. Es war braun wie das Marschland, während ihre Augen dunkler, torffarben waren. Sie hielt sich gerade und steif, doch ihre Hände waren sehr lebendig. Flink stellte sie die Tassen hin, legte die Löffel klirrend auf die Untertassen und zog geschickt eine Kaffeemütze ab. All ihre Lebendigkeit war in die Hände gegangen, die den Eindruck vermittelten, als ringe sie sie ununterbrochen oder fasse sich mit erstauntem Blick ins Gesicht oder wedele heftig mit einem Fächer, als sei sie sehr nervös. Dennoch hatte Melrose absolut nicht den Eindruck, als sei sie flatterig. Auf Grace' freundliches Dankeschön verbeugte sie sich kurz und knapp und ging.
    Beim Ausschenken sagte Grace: »Annie ist eine wunderbare Köchin. Wenn sie auch jetzt ein bißchen viel Gewese darum macht, daß noch mehr Aufgaben auf ihren Schultern lasten.«
    Melrose lächelte. »Sie sieht aus wie eine treu ergebene Angestellte.«
    Grace lachte. »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen: Da habe ich meine Zweifel. Ich glaube, sie ist nur ihrem eigenen Suggins-Kodex treu, den wir nicht begreifen. Sahne?«
    »Nein danke.«
    »Ich meine, wir leben ja alle nach irgendeiner seltsamen Vorstellung von Anstand. Oder sogar Ehre. Finden Sie nicht? Zucker?«
    Auch den lehnte er ab. Wieder lächelte sie versonnen. Dankend nahm er den Kaffee entgegen. Sie ging mit ihrer Tasse zum Fenster und trank, während sie hinausschaute. Eine Weile lang schien sie weit weg zu sein. Er trank schweigend. Sollten ihre Gedanken ihrem eigenen Weg folgen. Dann kam sie wieder auf das Hier und Jetzt zu sprechen. Ihrem veränderten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, nahm sie dies weniger in Anspruch.
    »Verzeihung«, sagte sie. »Ich habe vor mich hin geträumt.« Sie ließ sich aufs Sofa sinken, richtete sich dann wieder auf und glitt mit der Hand über den Teppich zu ihren Füßen. »Der gehört auch dazu.« Sie schaute hoch zu Melrose. »Der Teppich, meine ich. Dazu möchte Max eine Meinung hören. Der Mann von Christie's hat gesagt, es sei kein echter Turkestan. Nur eine Reproduktion. Oder Imitation.«
    Froh, daß er zumindest den Stil richtig identifiziert hatte, beugte er sich darüber und betrachtete ihn genauer. »So? Das finde ich eher unwahrscheinlich.« Er setzte sich die Brille auf, weil er hoffte, damit klüger auszusehen, als er sich fühlte, erhob sich und schlug eine Ecke des Teppichs zurück. »Tausende Knoten und sehr dicht gewebt. Das Muster auf der Rückseite ist genauso deutlich wie auf der Vorderseite. Mir kommt er echt vor. Und Sie dürfen auch die Größe nicht außer acht lassen. Er ist enorm, viel zu groß, als daß sich das Reproduzieren lohnen würde.« Stimmte das? Zwar mochte ein Pfund Gummibärchen nur wenig mehr als ein halbes kosten, eine Kiste Wein weniger als zwölf einzelne Flaschen. Aber galt das Prinzip, größer ist billiger, auch für Turkestanteppi-che? Erhöhte sich der Wert nicht proportional zu der Fläche, mit jedem kostbaren Quadratzentimeter? Egal, jetzt hatte er es gesagt und blieb auch besser dabei.
    Grace musterte den Teppich skeptisch. »Aber der Mann von Christie's war angeblich ein Fachmann .« Sie errötete, vielleicht weil sie fürchtete, sie habe ihn beleidigt.
    Fröhlich sagte Melrose: »Ach, Experten machen auch Fehler. Ich jedenfalls habe in meinem Leben schon so manchen gemacht!« Warum holte Max Owen all diese Leute zum Gutachten hierher, fiel ihm plötzlich ein. »Sagen Sie,

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