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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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warum läßt Ihr Mann die Sachen so oft schätzen?«
    »Er will ein paar verkaufen. Am liebsten versteigern lassen. Aber der Mann von Christie's . « Sie zuckte die Achseln.
    »Und was ist mit Sotheby's?« Melrose hoffte, der Mann von Sotheby's war anderer Meinung als der von Christie's. Mit den Burschen aus den weitbesten Auktionshäusern zu konkurrieren paßte ihm überhaupt nicht. Ach, zum Teufel. In jeder Branche wur-de geblufft, hochgestapelt und geheuchelt. Alle machten fröhlich mit, bis man Wandteppiche von Bayeux nicht mehr von Omas Häkeltopflappen unterscheiden konnte. Hoffentlich fragte sie ihn nicht nach der Herkunft der russischen Bernsteinkette unter dem Glas dort. Stammte die etwa noch von den Romanows? Er hatte nie anderen als Agathas Schmuck näher betrachtet, und das auch nur, weil er sehen wollte, ob er von seiner Mutter war. Über Möbel wußte er ja auch nur deshalb etwas, weil er versucht hatte herauszubekommen, was Agatha aus Ardry End hatte mitgehen lassen. Sogar Tische und Stühle waren plötzlich verschwunden.
    »Ich habe Ihren Neffen kennengelernt, Mr. Price. Als ich im Pub war, um nach dem Weg zu fragen. Und was zu trinken«, fügte er hinzu, damit er nicht tugendhafter als Mr. Price wirkte.
    »Jack? Der Case gehört zu seinen Lieblingskneipen. Er ist der Neffe meines Mannes. Er hat dort hinten ein Studio, na ja, eher eine umgebaute Scheune. Aber ihm gefällt sie, da hat er einen Ort nur für sich. Er schläft auch dort. Manchmal sehen wir ihn tagelang nicht. Und manchmal, glaube ich, kampiert er auch im Freien. Draußen in den Fens.«
    »Ist die Kripo bei den Morden schon irgendwie weitergekommen?«
    Mit ihren golden leuchtenden Augen betrachtete sie ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg. »Wenn ja, haben sie es uns jedenfalls nicht mitgeteilt. Die arme Dorcas.« Vorsichtig stellte Grace ihre Tasse auf die Untertasse. Es klirrte, weil ihre Hand zitterte. »Drüben im Windy Fen wurde ihre Leiche entdeckt. Eigentlich heißt es >Wyndham Fen<, aber wir sagen immer >Windy<. Das Gelände von dort bis zum Case Has Altered ist Eigentum des National Trust. Wir betrachten das Pub als unsere Nordgrenze.«
    Melrose hatte keine Lust, über die Fens zu reden, und unterbrach sie. »Wann ist denn das alles passiert?«
    Einen Moment dachte sie nach. »Verna ist - sie war die erste Frau meines Mannes - vor zwei Wochen ermordet worden. Ihre Leiche hat man am Nachmittag danach am Wash gefunden. Was dieser Kripobeamte aus Lincolnshire bisher ermittelt hat, weiß ich nicht. Dorcas - das war erst vor ein paar Tagen.« Beim Geräusch eines ankommmenden Autos erhob sie sich sofort. »In der Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten. Da kommt Max!«
11
    Auf Max Owen war er nicht vorbereitet. Melrose hatte sich ihn als pingeligen, arroganten Kunstliebhaber vorgestellt, als stolzen Mann vielleicht. Wer seinen Besitztümern eine solche Bedeutung beimaß, mußte doch so sein. Weit gefehlt. Melrose mußte feststellen, daß er voreingenommen gewesen war, weil Max und seine Kollektion eine Hürde darstellten, die er überspringen mußte, wie einen Baum, der ihm den Weg versperrte.
    Melrose' irrationale Antipathie gegen den Mann war gewachsen mit jeder todlangweiligen Stunde in Truebloods Geschäft, in der er sich die Einzelheiten jeder bollerigen Truhe, jedes säbelbeinigen Stuhls, jeder Kredenz und jedes Notenständers einzuprägen versucht hatte. Als Trueblood einmal stundenlang über eine schwarze Japanlackkiste salbadert hatte (»Bei Japanlack ist immer höchste Vorsicht geboten!«), war Melrose sogar eingeschlafen. Woraufhin Trueblood ihn wahrhaftig wachgerüttelt und gezwungen hatte, die wichtigen Punkte zu wiederholen wie ein Prüfling. Des Probanden Beschwerde, daß er sich all das unter gar keinen Umständen merken könne, hatte Trueblood mit dem Argument zu entkräften versucht, daß er nur über fünf Stücke wirklich Bescheid wissen müsse. Und natürlich über den Teppich. Bei allem übrigen könne er bluffen.
    »Wie Diane. Sie hat das Bluffen zur hohen Kunst entwickelt.«
    »Wenn es irgend jemanden gibt, dem ich nicht ähnlich werden möchte, dann Diane Demorney!«
    Als Owen nun in der Tür stand, löste sich das Bild, das Melrose sich von ihm gemacht hatte, in Wohlgefallen auf. Er war das ganze Gegenteil von hochnäsig, ja, beinahe jungenhaft schüchtern. Das machte auch den Großteil seines Charmes aus. Er war charmant, wenn auch nicht besonders hübsch. Er hatte ein langes, zu mageres Gesicht und

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