Fremde Federn
Northants zurückkehrte.
Nach seinem Telefongespräch mit Jury am Abend zuvor hatte er seine letzten Pseudonotizen über die Möbel gemacht und den Owens gesagt, er werde heute wieder fahren, wolle aber vorher Major Parkers freundliche Einladung zum Lunch wahrnehmen. Sie Glücklicher, hatte Max gewitzelt. Obwohl Bannens Besuch ihn sichtlich verstört hatte, hatte er ein Lächeln zustande gebracht und Melrose versichert, daß er seinen Lunch bei dem wohl besten Koch in South Lincolnshire einnehmen werde. Sie (und besonders ihre Köchin Mrs. Suggins) nähmen es immer als Kompliment, daß Parker überhaupt zu ihnen zum Essen kam.
Mit aufgerollten Hemdsärmeln und mehlbestäubten Unterarmen sah Parker aus, als trete er gleich als Koch in einem Theaterstück auf. Er schien es gar nicht ungewöhnlich zu finden, daß er sich als Herr eines mächtigen Landguts mit Küchenschürze präsentierte. Seine Begrüßung hatte nichts Theatralisches, sie war freundlich und kam so von Herzen, daß Plant sich ein wenig schämte, weil er nicht nur wegen des Mittagessens hier war.
Parker führte Melrose von der hohen, kalten Eingangshalle durch einen Raum, der dreimal so groß wie Grace' »Galerie«, jedoch völlig anders eingerichtet war. Das Inventar auf dem folgenden langen Gang zu dem Raum, wo sie sich niederlassen wollten, war zwar sicher sehr wertvoll (Melrose als Gutachter mußte es ja wissen), aber kunterbunt durcheinandergewürfelt. Nichts harmonierte miteinander. In einem der Salons (es gab mehrere) versuchte sich eine Mahagonianrichte, deren Holz so dunkel war, daß es wie verbrannt aussah, neben einem klassizistischen Kanapee zu behaupten.
Als könne Parker Gedanken lesen, sagte er: »Hier erleben Sie nun, wie schrecklich Möbel aussehen können, wenn man sie einfach nur zusammenschmeißt. Max, der hat das Talent zum Arrangieren, wie Sie sicher gemerkt haben.«
»Absolut«, sagte Melrose und dachte, daß Parker natürlich das »Arrangement« seiner Preziosen im Vergleich zu Owens als chaotisch betrachten mußte. Melrose' Blick blieb an einem möglicherweise echten Botticelli haften, der aber richtig verdächtig aussah, weil er so achtlos neben das Gemälde eines Niederländers gehängt war.
Schließlich kamen sie in ein kleines, gemütliches Zimmer, in dem ein Feuer loderte. Auf dem Tisch standen Gläser und zwei Karaffen. »Whisky genehm? Ich habe auch Sherry, aber ich bin nicht der Meinung wie diese etepeteten Richter der feinen Küche, die behaupten, daß Whisky die Geschmacksnerven beeinträchtigt. Whisky hat noch nie was beeinträchtigt, wenn Sie mich fragen.« Er schenkte zwei schwere Gläser voll.
»Vielleicht das eine oder andere Leben. Danke.« Melrose nahm das Glas.
»Ja, das schon. Trotzdem Prost.«
Melrose holte sein Zigarettenetui heraus und hielt es hoch. »Darf ich?«
Parker lachte. »Ich fühle mich langsam wie ein Paria, wenn ich die Zigaretten zücke. Ach bitte, geben Sie mir auch eine. Meine sind in der Küche bei der tagine. Wenn Sie sich fragen, was das ist - es ist Eintopf, marokkanischer Eintopf.« Er nahm eine Zigarette und ließ sich Feuer geben. »Nicht, daß ich protzen will. Aber ich liebe einfach den fremden Klang dieser Gerichte. Ich meine, tagine klingt doch, als ob es um Klassen besser schmeckte als >Rindfleischein-topf<, finden Sie nicht?« Als er in Richtung Küche zeigte, flog ein wenig Mehl durch die Luft. Er nahm ein Taschentuch und wischte sich den Arm ab. »Beim Kochen veranstalte ich immer eine schreckliche Schweinerei. Hoffentlich sind Sie schön hungrig; mir jedenfalls knurrt der Magen. Ich esse zuviel und trinke zuviel. Von dem hier.« Er hob das Glas. »Aber in meinem Alter bleiben einem ja sonst nicht mehr viele Freuden.«
Melrose lächelte und machte es sich in seinem Sessel bequem. Parker war vielleicht am Kinn und um den Bauch ein bißchen rundlich, aber keineswegs fett, nicht einmal korpulent. Alles, was zuviel war, konnte er bequem auf mehr als ein Meter achtzig Körpergröße verteilen. Er war nicht hübsch, aber ungewöhnlich attraktiv. Für Frauen zumindest, dachte Melrose. Warum? Nichts war außerordentlich, im Gegenteil: zu kleine Augen, zu wenig Haar, beginnende Hinterkopfglatze, eine etwas zu breite Nase und ein hundsgewöhnlicher Schnurrbart über eher dünnen Lippen. Aber man würde diese Mängel vermutlich gar nicht bemerken, wenn man nicht, wie Melrose jetzt, versuchte, Parkers Attraktivität zu entschlüsseln.
Er redete über sein Haus und die
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