Fremde Federn
war.«
»Hat sie auch für Sie gearbeitet?« Melrose wußte nicht, wie er die Frage nach Dorcas' Besuchen hier im Haus sonst formulieren sollte. »Hat sie Ihnen vielleicht beim Kochen geholfen?«
Parker schaute ihn so perplex an, als habe er seine gesamte Kollektion als wertlos eingestuft. »Kochen? Dorcas? Um Gottes willen, nein!« Er lachte.
Aber Melrose hörte aus dem Gelächter noch einen anderen Ton heraus. Die Fragen waren Parker unangenehm. »Eigentlich scheint niemand das Mädchen so recht gekannt zu haben. Außer vielleicht Mrs. Suggins.«
»Das ist ja auch kein Wunder.«
»Mrs. Suggins meint, sie sei ziemlich ... hm, zu neugierig gewesen.«
Parker lächelte. »Ja, Dorcas, die steckte ihre Nase überall rein. Wenn man kein eigenes Leben hat, will man vielleicht das der anderen borgen.«
»Sie muß aber doch ein eigenes Leben gehabt haben. Ein, zwei Leuten hat sie schließlich erzählt, sie sei schwanger.«
»Ach ja, das habe ich ganz vergessen. Vielleicht ist sie deshalb umgebracht worden. Von einem Burschen, der sie nicht heiraten wollte. Dorcas war der Typ Frau, die auf Biegen und Brechen heiraten will.« Parker goß ihnen noch einmal Wein nach. »Oder sie wußte, daß sie nicht schwanger war, und hat es einfach nur herumerzählt. Um, wie gesagt, zu zeigen, daß sie auch ein Leben hatte.«
»Ja, das ist sehr gut möglich. Ja. Nur, wenn sie wollte, daß alle Welt es wußte, warum hat sie es dann nicht den Leuten erzählt, die es auch weitertratschen würden? Die Tante klingt eher so, als plaudere sie nichts aus.«
»Madeline? Bei der ist jedes Geheimnis sicher.
Aber nun ist das Mädchen ermordet worden, und da kommen wahrscheinlich alle Geheimnisse an den Tag.«
»Leider nicht so weit, daß sich die Sache aufklären würde.« Schläfrig vom Essen und Trinken sank Melrose zurück. »Ich überlege etwas anderes: daß sie etwas belauscht oder gesehen hat, das sie gefährlich machte.«
Schweigend überdachte Parker diese These. »Hm. Das ist einen Gedanken wert. Meinen Sie, daß sie vielleicht etwas über den Tod von Verna Dunn wußte?«
»Könnte sein.«
Parker nahm sein Glas, ließ den Wein ein wenig kreiseln und dachte nach. »Dorcas war eine Angestellte, die direkt neben einem stehen konnte, und man merkte es nicht. Man nahm sie einfach nicht wahr.« Er trank einen Schluck Wein.
Da war es wieder, das seltsame Bild; die arme Dorcas paßte in ihrer Unscheinbarkeit so gut zu diesem flachen Land, das so schwer zu ermessen und nach weit verbreiteter Ansicht so wenig anziehend war, daß sie schlicht darin verschwand.
Auf der Rückfahrt nach Northampton konnte Melrose sich nicht mehr vorstellen, wie er auf dem Herweg nach Algarkirk jemals in den Deepings und in Cowbit gelandet war. Es mußte an seinem völligen Mangel an Orientierungsvermögen liegen. Vielleicht war er aber auch in einem seiner Dämmerzustände gewesen, wie oft nach endlosen Gesprächen mit seiner Tante. Nicht weit von Loughborough geriet er in Straßenbauarbeiten und mußte sich in eine Autoschlange einreihen, die aussah, als stehe sie schon tagelang dort. Da saß er, trommelte mit den Fingern auf das Steuerrad, und wünschte, in Truebloods Lieferwagen wäre ein CD-Player eingebaut. Ein fetziger Lou-Reed-Song würde die Schlafmützen da draußen in ihren neonorangefarbenen Westen auf Trab bringen. Offenbar hatten sie Teepause. Am Straßenrand stand jedenfalls einer mit einem Plastikbecher in der Hand. Er starrte den Schriftzug auf dem Lieferwagen an, als überlege er, ob er eine Dynamitstange hineinstecken sollte. Haß auf die, die im Luxus leben, das war's.
Der stämmige Bursche kam zu ihm geschlendert. »Antiquitäten, sehr schön, hätt ich auch gern, wirklich, kann ich mir bloß nicht leisten«, sagte er.
»Na, bald kriegen Sie wenigstens den Wagen hier, wenn wir noch lange hier stehen und den Kältetod sterben, während wir euch Jungs zusehen müssen.«
Guter Spruch, der Mann lachte. »Na, machen Sie sich nichts draus. Wenigstens müssen Sie nicht die Umleitung fahren. Wir mußten den Verkehr schon auf die kleineren Landstraßen schicken. Warn die sauer, das kann ich Ihnen sagen. Aber in zwei Tagen sind wir fertig. War jedenfalls so geplant.«
»Wie lange sind Sie denn schon zugange?«
»Zwei Wochen, glaube ich. Nein, mehr. Wir haben am Mittwoch angefangen, daran kann ich mich erin-nern, weil meine Mutter da Geburtstag hatte und ich den Kuchen verpaßt habe. War die grantig. Ich bin der einzige Sohn.«
Laber, laber,
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