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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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darf, eine Mutter, die ständig wachsam sein muß, weil der Tod an jeder Ecke lauert.«
    »Oder Verna Dunn.«
    Jury runzelte die Stirn. »Soll heißen?«
    »Sie kam gelegentlich nach Fengate zu Besuch. Das hat sie mir jedenfalls erzählt, vielleicht nur, um mich zu provozieren. Ich frage mich allerdings, ob der sogenannte Unfall während einer ihrer Besuche passierte. Soweit ich weiß, gab es keinen Zeugen. Ich wollte Grace fragen, aber ich konnte es nicht über mich bringen. Ich hatte Angst vor der Antwort.«
    Jury dachte über Grace Owen nach. Sie schwiegen, und er betrachtete den Fluß, wo die Enten nun im Schilf schliefen. Sachte wippten sie auf und ab. Etwas weiter weg ließen sich auch die im Mondlicht gespenstisch weißen Schwäne auf den Wellen treiben. Er überlegte, ob sie wohl das ganze Jahr über an diesem Teil des Avon lebten. Er mußte daran denken, wie Bannen ihm erzählt hatte, daß ihn der Abflug der Schwalben immer seltsam verzweifelt stimmte. Dieses kleine Eingeständnis hatte Jury gerührt, weil er Bannen selbst für einen Kripobeamten als sehr unpersönlich erlebt hatte. Als Jury nun die silbrigen Schwäne sah, überkamen ihn dieselben Gefühle.
    »Die Ironie der Geschichte ist, daß der Mord an Dorcas Reese sich zu Ihren Gunsten auswirkt. Sie haben nicht nur kein Motiv, sondern Sie waren nicht einmal dort.«
    Sie schwieg, schien etwas sagen zu wollen, hielt aber inne. Dann meinte sie: »Sie werden argumentieren, es sei ja nicht weit von Stratford nach Algarkirk. Trotzdem, welchen Grund könnte jemand haben, das Mädchen umzubringen?«
    »Jemand kann sie als gefährlich empfunden haben. Nach Aussage von -« Er wollte Plant nicht erwähnen, das würde alles nur durcheinanderbringen. »Annie, die Köchin, hat ausgesagt, daß Dorcas sehr neugierig war. Wer weiß, vielleicht hat sie etwas belauscht.«
    »Dann hätte ich genauso viele Gründe wie alle anderen auch, stimmt's?«
    »Jedenfalls alle, die Bannen verhört hat.« Jury gab auf. Er war kein guter Tröster. Hiob würde es bestätigen.
    Jenny schaute zu Boden und schob mit dem Fuß einen Kieselstein weg. »Glauben Sie nicht, daß ich nicht zu schätzen weiß, was Sie für mich tun.« Sie nahm seine Hand, mehr nicht.
    Die Tatsache, daß sie Jack Price nicht erwähnt hatte, blieb ihm nicht verborgen. Aber er fragte nicht, zumindest jetzt nicht. Er spürte ihren Blick, vermied jedoch, sie anzuschauen, weil er befürchtete, er wäre dann nicht mehr fähig, ihr nun zu erzählen, was Lasko gesagt hatte. Dann konnte sie sich nämlich den Luxus der Ungewißheit nicht mehr erlauben. Falls sie in ihrem Kopf überhaupt noch Platz dafür hatte. Was die Glocke geschlagen hatte, mußte ihr ja eigentlich schon klar geworden sein, als er ihr gesagt hatte, daß Apted eingeschaltet war.
    Sie schüttelte den Kopf. Die Panik stand ihr offen ins Gesicht geschrieben.
    »Ich wollte ja nur sichergehen, daß Apted zur Verfügung steht, wenn es hart auf hart kommt wie damals bei mir. Nur eine Vorsichtsmaßnahme.« Lächerlich! Sie glaubte es keine Sekunde lang.
    »Es spricht alles gegen mich, stimmt's?«
    Ihr Gesicht war so weiß wie der Mond. Gern hätte Jury gesagt, nein, natürlich nicht alles. Aber er konnte es nicht. Weil es leider so nicht stimmte. Es traf zwar zu, daß Verna Dunn überall unbeliebt war, doch sonst war nichts bekanntgeworden, was ein Motiv für jemanden in Fengate hergegeben hätte. »Pete Apted verliert nie, vergessen Sie das nicht.«
    Ihr kurzes Lachen erstickte in Tränen. »Ein erstes Mal gibt es immer.«
    Dann herrschte langes Schweigen, sie rührten sich beide nicht.
    Sie hatte - mit keinem Wort - gesagt, daß sie unschuldig war.
    Und er hatte nicht gefragt.
19
    Melrose saß in seinem eigenen Haus in seinem eigenen Sessel an seinem eigenen Kamin und blätterte in einem Bildband über die Fens. Er betrachtete ein wunderbares Foto von einem nebelumwaberten See und empfand plötzlich eine absurde Sehnsucht nach Lincolnshire, der guten Gesellschaft und den guten Gesprächen, denn an letzteren beiden mangelte es ihm nun. Er seufzte schwer, gestattete sich, ein bißchen tiefer in den Ohrensessel zu sinken und schaute sich das Bild der Black Fens von Cambridgeshire an, eine scheinbar endlose Fläche weicher schwarzer Erde. Er spürte geradezu, wie sie seidig durch seine Finger rann. Durch seinen Kopf hingegen rann Agathas Stimme. Hier und da schnappte er einen Krümel auf, er war Experte darin, ihren Redeschwall durchzusieben.
    »....pflichten«,

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