Fremde Federn
ab.
»>Ach-der< hat Millionen gemacht.« Melrose trank einen Schluck kalten Tee. Agatha hatte den heißen aus der Kanne aufgetrunken. »Wen bietet Ada zu ihrer Verteidigung auf?«
Das war Agatha doch egal. Sie zuckte mit den Schultern und nahm sich ein hübsches Dreieck Anchovistoast. »Keine Ahnung, ist mir auch einerlei. Muß vermutlich einen Pflichtverteidiger nehmen. Auf Armenrecht.«
Als Melrose den Fuß im Nachttopf nun so recht bedachte, glitt er noch tiefer in seinen Sessel. Vielleicht lohnte sich eine genauere Beschäftigung damit doch. »Wen will dein Winkeladvokat sonst noch als Zeugen bringen? Wie heißt er noch gleich?«
»Simon Bryce-Pink. Alle sagen, er ist sehr gut.«
»>Alle< bedeutet wahrscheinlich Theo Wrenn Browne. Wen hat er außer mir noch in der engeren Wahl?«
Sie musterte ihn skeptisch. »Ich glaube, das erzähle ich dir besser nicht. Ich kann dir nicht trauen.«
»Oh! Und warum um alles in der Welt benennst du mich dann als deinen Kronzeugen?«
»>Kronzeuge< habe ich nicht gesagt. Diese Auszeichnung gebührt Theo.«
Melrose wußte, sie hatte sich mit dem aalglatten Theo Wrenn Browne zusammengetan. Zusammen hatten sie das Ausmaß der Verletzung aufgebläht und vermutlich einen korrupten Arzt gefunden, der sie attestiert hatte. Und wenn sie mit den körperlichen Schäden nicht durchkamen, konnten sie immer noch die seelischen nachschieben. Nach Ardry End war sie heute mit ihrer Gehhilfe gekommen, die sie aber sofort abgeworfen hatte, um den Teetisch zu stürmen. Das Teil hatte vier kleine Räder, damit die arme Invalidin rascher durch die Gegend sausen konnte. War das nicht paradox, eine Geh-Hilfe auf Rädern zu konstruieren?
»Die arme Ada. Wann ist der Termin?«
»In einigen Wochen, sie sind mit der Bearbeitung ihrer Fälle sehr im Rückstand.« Sie schaute ihn an. »Warum >arme Ada Ich möchte doch meinen, du hebst dir dein Mitgefühl für deine Familienangehörigen auf. Na ja, wenn sie verliert, muß sie die Kosten tragen.«
»Bist du sicher, daß sie verliert?«
Agatha schaute ihn an, als sei er völlig von Sinnen. »Natürlich. Wieso nicht?«
Melrose wollte die Frage gerade beantworten - einerlei, ob sie nur rhetorisch gemeint war oder nicht -, da kam Ruthven (dem Himmel sei Dank) und rief ihn ans Telefon.
»Wer ist dran, Ruthven?« fragte Melrose, als er zur Tür ging.
»Der ... Fleischer, Mylord.« Ruthven lächelte verschmitzt.
»Jurvis? Warum ruft der mich an?«
Ruthvens Antwort ging in Agathas Gekreisch unter. »Sorg mal dafür, daß Jurvis das Fett von dem Lamm besser abmacht! Martha ist unfähig dazu!«
Ihr Gezeter verklang, und Melrose nahm den Hörer. »Hallo, Mr. Jurvis. Was kann ich für Sie tun?«
»Äh, hier ist Mr. Jury.«
»Richard!«
»Ich möchte, daß Sie morgen nach London kommen.«
»Hm, ja, das ginge. Obwohl ich Ihnen nicht verhehlen möchte, daß Sie mich meiner Tante entreißen. Warum denn?«
»Sie können mit mir zum Anwalt gehen.«
»Anwalt?«
»Zu Pete Apteds Kollegen, der ihm zuarbeitet. Er heißt - wo ist der Zettel?« Rascheln und Knistern in der Leitung. »Moss. Charly Moss.«
Behutsam fragte Melrose: »Haben Sie denn mit -äh, Lady Kennington gesprochen?« Er fand es immer noch schwierig, ihren Namen zu erwähnen. Wie ein Schatten stand sie zwischen ihnen.
»Warum so förmlich? Ja, ich habe Jenny getroffen. Ich bin froh, daß ich sie vor Lasko erwischt habe.«
»Das heißt, sie ist wirklich verhaftet worden?«
»Fürchte, ja. Wir haben es sowieso erwartet.« Jury stöhnte.
Melrose spürte, wie seine Beine zu Gummi wurden, er zog sich einen Stuhl heran. »Wie lautet die Anklage?«
»Mord.«
»Verdammt«, stieß Melrose aus. »In zwei Fällen?« Als Jury bejahte, fragte er: »Was hat Bannen denn bloß gefunden, um sie mit Dorcas Reese in Verbindung zu bringen?«
»Weiß ich nicht. Vielleicht hat Dorcas etwas gewußt, es scheint etwas darauf hinzudeuten. Ich bin überrascht, daß Bannen so lange mit der Anklage gewartet hat. Ich frage mich, ob er noch mehr Beweise wollte - hier noch einen kleinen Sachbeweis, dort noch einen Untersuchungsbericht - und sie jetzt hat. Ich war bei Pete Apted. Erinnern Sie sich an ihn?«
»Aber klar doch!«
»Der meine Illusionen kaputtgemacht hat«, sagte Jury in dem Versuch zu scherzen.
»Er hat nicht Ihre Illusionen zerstört, sondern Ihren Verdacht bestätigt.«
Jury schwieg. Dann sagte er: »Gut, Sie haben recht. Egal, er übernimmt ihre Verteidigung. Deshalb gehe ich, gehen wir, zu dem
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