Fremde Federn
Hand im Spiel hatte. Und jedesmal setzte Verna eine Miene schieren Triumphs auf. Es war unerträglich. Verstehen Sie, ich wußte ja nicht, was passiert war. Hatte sie die Tiere umgebracht? Hatte sie sie einfach irgendwo hingeschleppt und dort gelassen? Hatte sie sie Leuten gegeben und behauptet, sie seien herrenlos? Bei einem Pony wäre das schwierig gewesen.« Jenny lächelte traurig. »Das Problem war, daß Verna diesen Zwang, anderen Menschen alles kaputtzumachen, sehr geschickt verbarg. Das können verhaltensgestörte Menschen ja oft sehr gut, sie sind so glaubwürdig. Wenn sie bei Gesellschaftsspielen betrog und ich es monierte, vergoß sie bittere Tränen und war ein Bild des Jammers.«
»Das ist ja alles ganz schrecklich, Jenny. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Staatsanwalt das Tagebuch eines Kindes als Beweismittel sehr ernst nimmt.«
»Ja, glauben Sie denn, es habe nach unserer Kindheit aufgehört?« Er war überrascht, wie schrill ihre Stimme klang. Jenny sprach sosnt immer so ruhig. »Daß es nur Kinderstreiche waren und sie doch endlich erwachsen wurde? Als ich fünfundzwanzig war, machte sie meine Verlobung kaputt. Ich liebte ihn wirklich. Und weiß bis heute nicht, was passiert ist. Ich weiß nur, daß er eines Tages einfach verschwunden war. Als ich Jahre später James heiratete, dachte ich, nun sei ich endlich vor ihr sicher. Aber sie begann anzurufen, sie rief James an und erfand Geschichten, was sie mal wieder für ein Pech hatte, und ließ sich von ihm bemitleiden. Es war natürlich viel subtiler, als ich es jetzt schildere.« Jenny nahm sich den Schal vom Haar und zog ihn an beiden Enden auseinander, als wünschte sie, es sei eine Schlinge. »Ich habe James gesagt, er solle nicht mit ihr reden und sie nie nach Stonington kommen lassen. Ob er meine Bitte verstand, weiß ich bis heute nicht - wer hätte das schon? Sie ja auch nicht.«
»Jenny, das stimmt nicht.«
Sie lächelte bitter, ungläubig, fuhr aber fort: »In Fengate habe ich sie also das erstemal nach fünfzehn Jahren wiedergesehen.«
»Und trotzdem haben Sie niemandem gesagt, daß sie Ihre Cousine war.« Kein Wunder, daß Bannen meinte, er habe genügend Belastungsmaterial.
Jenny schlang sich den Schal um den Hals und schob sich das Haar aus dem Gesicht. Der Wind hatte nieseligen Regen mitgebracht. »Nein, ich weiß nicht, warum. Sie hat's sich aber auch nicht anmerken lassen. Warum hat sie nicht gesagt: Jenny, mein Gott, wie lange haben wir uns nicht gesehen?< Ich weiß, daß sie irgendwas geplant hat. Wahrscheinlich ging es um Max Owen.«
»Aber sie war von ihm geschieden.«
»Für Verna war nie etwas endgültig.« Jenny zog ihren Mantelkragen fester um sich. »Außer dem Tod.« Sie schwieg. »Max Owen, der hatte ja ganz einfach wieder geheiratet. Seine jetzige Frau. Und mit ihr war er glücklich. Das war Verna ein Dorn im Auge. Das konnte sie nicht zulassen, wo er doch mit ihr, Verna, unglücklich gewesen war. Ich glaube, Max hat sie nie durchschaut. Sie beherrschte die Kunst meisterhaft, ihre Mitmenschen zu der Überzeugung zu bringen, daß sie selbst und nicht etwa Verna an dem Unglück schuld waren. Leute wie Max neigen dazu, die Verantwortung zu übernehmen, wenn etwas schiefgeht. Ihm wäre es schwergefallen, ihr gemeinsames Leben richtig zu analysieren. Er hätte den Hauptteil der Schuld auf sich genommen.«
»Ich verstehe aber immer noch nicht, warum Grace sie eingeladen hat.«
»Das weiß ich auch nicht. Doch wenn ich mich anstrengte, würde ich schon dahinterkommen, wie Verna das bewerkstelligt hat.«
»Wie gut kennen Sie Grace?«
»In den Jahren nach Max' Heirat mit Grace war ich ein-, zweimal in Fengate, während Max' Ehe mit Verna nie. Mein Mann war mit Max befreundet, und kurz vor James' Tod sind wir mal dort gewesen. Max hat Grace in Yorkshire kennengelernt, als Sotheby's die Wahnsinnsauktion in Castle Howard organisiert hat. Max war noch mit Verna verheiratet, und Grace' Mann war ein paar Jahre zuvor gestorben. Ungefähr ein Jahr nach der Auktion in Castle Howard haben sich die Owens scheiden lassen. Und binnen eines weiteren Jahres haben Max und Grace geheiratet. Sie wissen sicher, daß sie einen Sohn hatte.«
»Ja, er ist bei einem Reitunfall umgekommen, soweit ich weiß. Schrecklich.« Er erwähnte nicht, daß fast alle seine Informationen von Melrose Plant stammten.
»Toby war Bluter.«
»Das muß eine fürchterliche Belastung für die Owens gewesen sein. Ein Kind, das keinen Sport machen
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