Fremde Federn
väterlichen Manieren. Er nahm Fritzis Hand in seine Hände und befühlte sie, als wolle er auf dem Markt einen Fisch kaufen.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Sie arbeiten da mit einem erstklassigen Jungen.« Er schüttelte ihr kräftig die Hand, bevor er sich setzte. Er stützte den Ellbogen auf einen kleinen Tisch und legte den Kopf in die hohle Hand, als sei ihm nicht ganz geheuer vor dieser Vorführung. Fritzi erging es genauso. Es war eine vollkommen neue Erfahrung, sich selbst auf der Leinwand zu sehen.
Kelly verdrückte sich wortlos in der letzten Reihe. »Okay, Hap«,
sagte Eddie schließlich. Der Vorführer schaltete die Lichter aus.
Das Mädchen neben Eddie sagte: »Ich habe am Schluß noch ein paar Bilder eingefügt. Ich glaube, es wird Ihnen gefallen.« Eddie widersprach nicht. Das Mädchen schien außerordentlich jung zu sein, wie offenbar alle in der Branche.
Hap schaltete den Projektor ein, der sofort zu surren begann. Als sich Fritzi auf der Leinwand sah, mußte sie lachen. Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken beim Anblick ihrer großen Füße, ihrer eckigen Ellbogen und ihrer fliegenden Haare. Ihre Bewegungen waren abgehackt, ihr Ausdruck nicht überzeugend. Sie konnte kaum hinsehen. Schließlich legte sie die Hände vors Gesicht und spähte zwischen den Fingern hindurch.
Natürlich war die Vorstellung der anderen ähnlich übertrieben; der Stil paßte zur Melodramatik des Stücks. Owen schien sich selbst außerordentlich gut zu gefallen, er strahlte und rief an einer Stelle laut: »Ah, das ist wirklich gut!«
Eddie betrachtete den Film aufmerksam und machte nur hin und wieder eine kurze Bemerkung zu dem Mädchen neben ihm. Fritzi hatte Eddie ziemlich schnell schätzengelernt. Er besaß eine realistische Vorstellung von seiner Arbeit. Er wußte, daß er nicht Hamlet oder Der Volksfeind drehte, aber er arbeitete energisch und klug, um seinen kleinen Streifen unterhaltsam und spannend zu machen.
Fritzi bemerkte etwas, was ihr vorher entgangen war. Auf der Veranda des Hotels Rambo’s lag eine Holztafel, auf dem das galoppierende Pferd zu sehen war, das Markenzeichen der Firma. Seltsam.
Die fünfzehn Minuten kamen ihr vor wie fünfzehn Stunden. Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Während des Abspanns warf sie rasch einen Blick auf Kelly. Er sah nicht weniger mißgestimmt aus als bei seinem Eintreten.
Plötzlich wurde eine neue Szene eingeblendet, die, in der Fritzi aus der Tür gerannt und gefallen war. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie, wie sie sich im Fall gefangen und mit einem Purzelbaum gerettet hatte. Alle lachten, sogar Kelly.
Als Hap die Lichter einschaltete, tätschelte Eddie Fritzi tröstend den Arm. »Sie sind eine richtige Komikerin.«
»Ungewollt.«
»Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, wie wir dieses Talent nut-zen können.«
Hoffentlich nicht.
Kelly sagte: »Okay« und marschierte hinaus.
Wieso ein dermaßen mißmutiger Mann ausgerechnet in der Unterhaltungsbranche arbeitete, ging über Fritzis Verstand. B. B. Pelzer eilte zu ihr und wiederholte die Fischnummer mit ihrer Hand.
»Also wirklich, Eddie hat recht, Sie haben das Zeug dazu. Sie haben mir gut gefallen. Talentiertes Mädchen. Hätte nichts dagegen, wenn wir Sie bei Pal noch häufiger zu sehen kriegten.«
Fritzi fragte Eddie über die Leute aus. Er erzählte, Pelzer sei Optiker in Hoboken gewesen, bevor er anfing, sich für Filme zu interessieren. Zusammen mit seinem Schwager, einem Vertreter in Sachen Bekleidung, hatte er Pal gegründet. Den Anteil des Schwagers hatte nach einem Jahr Kelly gekauft. Von den hundert Anteilen der Firma gehörten B. B. und seiner Frau Sophie zweiundfünfzig Prozent.
Kelly hatte Mietställe besessen, war aber klug genug gewesen, um einzusehen, daß mit dem Siegeszug des Automobils sein Geschäft nur schlechter werden konnte. Er verlegte sich auf die Herstellung von Stereoskopen, und ein Gehilfe lieferte die Bildkarten dazu. Dieses Wohnzimmervergnügen ebbte ab, als Nickelodeons in Mode kamen, und Kelly mußte sich noch einmal umstellen.
»Kelly ist das Kreuz, mit dem wir leben müssen. Benny das genaue Gegenteil. Allzu großzügig. Er treibt Kelly damit zum Wahnsinn.«
Pal Pictures produzierten wenigstens zwei Einspuler pro Woche und dazu noch hin und wieder eine Spule mit zwei kurzen Filmen, einer Komödie und einem Drama. Doppelspulen waren sehr beliebt. Die Qualität der Filme von Pal war unterschiedlich.
Die Tafel mit dem Pferd von Pal
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