Fremde Federn
erschien in jedem Film wenigstens einmal. »In unserem Geschäft wird viel geklaut«, lautete Eddies Erklärung. »Schlitzohrige Inhaber von Nickelodeons oder die Verleiher. Sie machen eine Kopie und verkaufen den Film als ihren eigenen. Die Firmen schützen sich, indem sie ihr Firmenzeichen einblenden.«
Dank B. B.s Begeisterung und Kellys Zustimmung nach der Misere in Coytesville hatte Fritzi im folgenden Winter und Frühling genügend Arbeit. Da sie immer auf der Hut vor den Detektiven waren, filmten sie in angemieteten Wohnungen in Manhattan und Brooklyn. Für die Außenaufnahmen fuhren sie entweder nach Mamaroneck oder auf das ländliche Long Island. An manchen Tagen fingen sie erst kurz vor Mittag an, weil der heimliche Transport der Kamera viel Zeit in Anspruch nahm. Wo Ferguson die Kamera bei Nacht versteckte, fand Fritzi nie heraus.
Nachdem sie mehrere kleinere Rollen gespielt hatte, schlug Eddie sie für die Hauptrolle in Die kesse Daisy vor, die Rolle einer gerissenen Privatdetektivin. In einer Szene mußte Daisy einen Schurken bis in eine Restaurantküche verfolgen. Eddie sorgte für einen großen Schinken aus Gips und drehte eine aus dem Stegreif und nicht im Drehbuch enthaltene Verfolgungsjagd um einen Hackblock. Als sich ein Schuß aus der Pistole löste, fuhr der erschreckte Koch herum und hätte Fritzi beinahe mit dem Schinken erschlagen. Sie befolgte Eddies Anweisungen, duckte sich und landete mit einem Spagat auf dem Boden. Das Resultat war anerkennendes Lachen im Vorführraum. Sie begriff nun, warum er darauf bestanden hatte, daß sie an diesem Tag Reithosen trug.
Eddie und B. B. waren so begeistert von dem Film, daß sie sich eine grandiose Posse mit dem Titel Eine glitschige Angelegenheit einfallen ließen. Darin spielte Fritzi eine Verkäuferin in einer Tierhandlung, die in ein Aquarium geworfen wird. Zu allem Überfluß schlug man ihr auch noch mit einem großen Kabeljau ins Gesicht. Sie arbeitete, ohne zu murren, aber später erklärte sie Eddie, auf eine Wiederholung könne sie gut verzichten.
Es sollte jedoch besser kommen. Das Gold des einsamen Indianers war so begeistert aufgenommen worden, daß Eddie weitere Folgen der Serie plante. Im Frühsommer wurde Der Mut des einsamen Indianers fertig gedreht. Dann kehrten sie nach Westchester zurück, um die Folge Die Schlacht des einsamen Indianers zu drehen, in der Fritzi zum ersten Mal auf einem Pferd ritt. Der Besitzer des Mietstalls von White Plains zeigte ihr, wie man ohne Sattel aufsaß, indem man hochsprang und ein Bein über den Rücken des Pferdes warf, genau wie die Prärieindianer. Er brachte ihr auch bei, von hinten auf ein Pferd aufzuspringen. Dreimal fiel sie herunter. Beim vierten Mal klappte es. Eddie verlangte, daß sie noch einmal aufsprang und herunterfiel und der Filmschurke sie mit seinen beiden Revolvern be-drohte. »Laß dich auf den Hintern fallen, spring auf, und verdreh die Augen. Er ist davon so verdutzt, daß Owen ihm die Schießeisen abnehmen und ihn windelweich prügeln kann.«
»Ach, Eddie, nein! Das ist doch der reinste Klamauk.«
»Klamauk ist eine respektable Sache. Selbst Shakespeare schreckte nicht davor zurück. Bring vor dem Höhepunkt einen Clown auf die Bühne, die Spannung läßt nach, und der Höhepunkt ist doppelt wirksam. Glaub mir.«
Die Szene wurde gedreht. Fritzi gab ihr Bestes und saß dann den ganzen Abend mit einem Kissen unter dem Hintern auf dem Stuhl.
Durch die mehr oder weniger regelmäßige Arbeit war sie in der glücklichen Lage, vierzehn Dollar fünfundneunzig für etwas auszugeben, was sie sich schon lange gewünscht hatte, einen Phonographen in einem hübschen goldfarbenen Eichengehäuse mit einem wunderschönen blütenförmigen Schalltrichter. Damit konnte sie anstatt der alten Wachszylinder flache Platten abspielen. Sie gönnte sich das verschwenderische Vergnügen, ein halbes Dutzend dieser Platten für zwanzig Cent das Stück zu kaufen, auf denen unbekannte Vokalisten mit Blechbläsern zu hören waren. Ihr absolutes Lieblingsstück war A Girl in Central Park, ein sehr populäres Stück, das Pauls Freund Harry geschrieben hatte. Das Lied war aus einer BroadwayRevue mit dem Titel Girls Galore. Sie konnte es nach einem langen Arbeitstag kaum erwarten, nach Hause zu kommen, Schuhe und Strümpfe abzustreifen, eine Platte aufzulegen, den Apparat anzukurbeln, die Nadel zu senken und dem schmachtenden Tenor zu lauschen:
»I met a girl in Central Park,
Fair as the morning’s fair
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