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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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gepunktete Krawatte paßte zum Einstecktuch seiner Brusttasche. Die Bügelfalten waren perfekt; nirgends ein Knitter oder ein Fleck.
    »Tut mir leid, daß ich zu spät komme. Probleme mit der Instrumentation.«
    Die Motoren liefen an, die Schiffsmannschaft löste die Vertäuung, und unter lautem Tuten der Sirene und Bimmeln der Schiffsglocke glitt der Dampfer auf den Hudson hinaus. Fritzi erinnerte sich ihrer Erziehung: »Wie geht es Ihrer Frau, Harry?«
    »Danke der Nachfrage. Es ist leider so, daß sie mich gar nicht mehr erkennt. Die Ärzte haben mir erklärt, daß sich der Zustand eines Patienten, der sich von einem Schlaganfall nicht schnell erholt, oft verschlimmert. Jedes Organ wird schwächer, weil es nicht genutzt wird, bis das wichtigste Organ, das Herz - entschuldigt, ich sehe wirklich zu schwarz! Herr Ober? Bitte bringen Sie uns Wein!«
    Eine Drei-Mann-Kapelle auf dem oberen Aussichtsdeck stimmte Alexander’s Ragtime Band an, den meistgespielten Schlager der Stunde. Harrys Stimmung besserte sich. »Ist das nicht ein tolles Lied? Berlin ist ein Freund von mir. Früher hieß er Izzy Baline, er hat wie ich seinen Namen geändert. Ich habe ihm gesagt, daß er durch Alexander Unsterblichkeit erlangen wird, auch wenn er nie wieder eine Note schreiben sollte.«
    »Das kann ich nur bestätigen«, nickte Paul. »Ganz London pfeift und singt das Lied.«
    Fritzi bemerkte, daß der Ober neben ihrem Tisch stehenblieb. Er war groß mit silbergrauem Haar, ein Mann von auffallend gutem Aussehen. Er stellte die Suppenteller vor jeden einzelnen, dann zögerte er kurz, bis er sich an Fritzi wandte: »Wenn Sie gestatten, Miss, ich habe ein Anliegen an Sie. Mein Name ist Zoltan Cizmaryk, ich bin ein großer Bewunderer von Ihnen.«
    »Von mir? Wir kennen uns doch gar nicht.«
    »Aber ich habe Sie trotzdem schon oft gesehen. Und zwar in den Filmen vom Einsamen Indianer und auch in anderen Streifen. Meine Frau und ich stammen aus Budapest, aber wir leben schon seit zehn Jahren hier.« Daher also der melodische Akzent. »Darf ich Sie bitten, mir ein Autogramm für meine Frau zu geben, bevor Sie von Bord gehen?«
    »Natürlich«, sagte Fritzi, erfreut, daß man sie erkannte, und gleichzeitig erstaunt, daß ein alberner kleiner Film eine solche Reaktion bei einem völlig Fremden auslöste.
    Ein Oberkellner im Frack schnippte mit dem Finger nach Zoltan, der sich augenblicklich verbeugte und wieder an die Arbeit machte. »Du bist ja ein richtiger Star«, bemerkte Paul mit einem Lächeln.
    »Ja, ist es nicht wunderbar«, fügte Harry hinzu. »Und ich glaube, daß das nur der Anfang ist.«
    Sich in der Schmeichelei sonnend, wandte Fritzi ihre Aufmerksamkeit wieder dem ausgezeichneten Essen zu, das ihnen von Zoltan Cizmaryk und seinen Kollegen serviert wurde. Der Ausflugsdampfer tuckerte langsam am Battery Park vorbei, hinüber in den East River und wandte sich dann wegen der Aussicht auf die Brooklyn-Brücke in Richtung Norden. Von dort ging es wieder zurück in Richtung Freiheitsstatue und den offenen Ozean. Sterne funkelten am tiefblauen Himmel. Die hocherhobene Fackel kündete ihre Botschaft von Hoffnung und Freiheit, aber Fritzi merkte, daß Pauls Aufmerksamkeit den erleuchteten Gebäuden auf einer Insel zu ihrer Rechten galt.
    »Dort sind Harry und ich nach einer höllischen Reise im Zwischendeck gelandet«, sagte er mit verhaltener Stimme.
    »Als meine Mutter wegen ihrer Augenkrankheit abgewiesen wurde«, ergänzte Harry, »und wir gezwungen waren, nach Europa zurückzukehren, wußte ich, daß ich entweder nach Ellis Island zurückkommen oder umkommen würde.« Der Tonfall seiner Stimme war leicht und beiläufig und strafte das Lügen, was Fritzi in seinen Augen sah.
    Wenige Minuten später, nach beendeter Mahlzeit, schlenderten sie auf das Aussichtsdeck hinauf, wo Paare und Familien den Blick auf den nächtlichen Hafen genossen. Langsam und majestätisch glitt die kupferne Statue auf ihrem mächtigen Sockel zu ihrer Rechten an ihnen vorbei. Fritzi spürte einen Kloß im Hals. Diese Statue hatte es noch nicht gegeben, als ihr Vater 1850 nach New York gekommen war, aber ebenso wie Harry und Paul ehrte und achtete ihr Vater alles, was sie symbolisierte.
    »Bartholdi war ein Genie«, murmelte Harry. »Sie sagt so vieles, diese große Dame. Sie sagt: Willkommen, wer immer du sein magst. Auch wenn du nicht reich und nicht berühmt bist, hier ist Platz für dich.< Mir sagt sie außerdem: >Das ist das Land, in dem du auch deine

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