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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sie in Glücksgefühle tauchte. Es begann ironischerweise an dem Tag, als die Zeitungen nur ein Thema kannten, die Tragödie des großen Ozeandampfers, der Titanic, die, von den Erbauern als unsinkbar bezeichnet, auf ihrer Jungfernfahrt nach New York auf einen Eisberg aufgelaufen war und fast sechzehnhundert Menschen in den Tod gerissen hatte.
    Fritzi drehte mit Owens Nachfolger Die Squaw des einsamen Indianers in Daisy Dell, einer abgelegenen Schlucht nahe North Highland. Zunächst hatte Eddie alle Mühe, den Stab und die Schauspieler dazu zu bringen, sich zu konzentrieren; fast alle, einschließlich Fritzi, waren in ihre Times vertieft.
    Jock Fergusons Assistent lugte über Fritzis Schulter. »Wie viele wurden gerettet?«
    »Siebenhundertfünfundvierzig. Das ist nicht sehr .«
    »Macht schon, macht schon«, drängte Eddie und klatschte in die Hände. Seufzend faltete Fritzi ihre Zeitung zusammen. Er klang schon fast so wie Kelly.
    Jetzt erst bemerkte sie die beiden Statisten, die man für diesen Film als Banditen engagiert hatte. Einer war klein, O-beinig und ansonsten wenig bemerkenswert, doch der andere zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er war groß, dünn wie eine Bohnenstange, mit sonnengebräunter Haut, eingefallenen Wangen und einer kecken Nase. Auf der Stirn traten die Adern hervor, was auf eine unterdrückte Anspannung hindeutete, selbst wenn er lächelte. Auch wenn er nicht ins Licht schaute, blinzelte er, als blicke er in tausend grelle Präriesonnen.
    Die verwaschenen Jeans, das Hemd und das Halstuch paßten gut zu ihm; er schien sich wohl darin zu fühlen. Das braune Haar stand auf dem Hemdkragen auf. Eine sechs Finger breite Narbe entstellte den Rücken des Handgelenks seiner linken Hand. Auf Fritzi wirkte dieser Mann gefährlich; sie empfand ein seltsames, unerklärliches Gefühl, in dem sich ein angenehmes Prickeln und puritanische Schuldgefühle mischten.
    Eddie stellte ihn als Loy vor - ein komischer Name. Sie fragte Loy, woher er komme. »Texas«, antwortete er, den Finger am Hutrand. Damit war das Thema erledigt. Der Mann war höflich, tat, wie ihm geheißen, und kümmerte sich im übrigen nicht um die anderen. Fritzi beobachtete ihn heimlich. Wenn er es aber doch bemerkte, ging ihr Atem ein wenig schneller.
    Das Team kehrte in die Alessandro Street zurück, um den Rest auf der Bühne zu drehen, vor mehreren Kulissen, die das Innere eines Umschlagplatzes für Waren darstellten. Mehrere Eimer Roggenmehl dienten als Ersatz für einen gestampften Boden. Mit Hilfe eines weißen Musselinvorhangs, der mittels Schnüren und Rollen bewegt wurde, dämpfte man das grelle Sonnenlicht und vermied damit scharfe Konturen.
    Eddies Exposé wartete mit einer Szene auf, die bereits zu einem Klischee der Westernfilme geworden war: Die Banditen feuerten Schüsse ab, die Harmlose in ihrer Unerfahrenheit in einen Veitstanz versetzten. Diesmal hieß das Opfer Fritzi, die ein ausgefranstes, mit Perlen besticktes indianisches Kleid trug, das sie zu Beginn des Films von dem Helden geschenkt bekommen hatte.
    Loy und sein Partner gaben blinde Schüsse auf Fritzis Füße ab. Sie verteidigte sich mit einem wilden Tanz, der ihnen den Staub ins Gesicht wirbelte, und entwaffnete dann die Schurken, um sie dem einsamen Indianer zu übergeben, als dieser zur Tür hereinkam. Eddie probte und filmte gleichzeitig.
    Nachdem Kelly nirgends zu sehen war, wollte er die Aufnahme wiederholen, wobei er Fritzi inständig bat, »sich gehenzulassen«. Sie zog sich hinter die Kulissen zurück, konzentrierte sich, kam hervor und rief: »Fertig!« Eddie klatschte in die Hände, das Zeichen zum Anfang.
    Diesmal dauerte ihr Tanz für die verdatterten Schurken ganze zwanzig Sekunden, eine wilde Mischung aus allen Schritten, die sie vom Ballett her kannte, Walzer, Holzschuhtanz, Steppen und zum Schluß ein französischer Cancan, bestens geeignet, dem großen Texaner in den Bauch zu treten. Jock Ferguson mußte so lachen, daß er seinen Assistenten herbeiwinkte, damit der die Kurbel drehte. Als Eddie »Klappe« rief, lief Fritzi auf den Texaner zu und legte, ohne zu überlegen, ihre Hände auf seinen Arm. Unter dem groben Stoff seines Hemds spürte sie kräftige Muskeln.
    »Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht weh getan.«
    »Nein, Ma’am, nicht ein bißchen.«
    Owens Nachfolger grinste und sagte: »Sie ist die einzige Squaw, die ich kenne, die direkt vom Variete kommt.«
    Eddie lachte. »War das nicht großartig?«
    Loy schlug seinen hohen Texanerhut auf

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