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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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neugierig auf die Wirklichkeit. Fünf- oder sechshundert Männer standen sich in echten Bürgerkriegsuniformen gegenüber. Gräben waren ausgehoben, Artilleriebataillone in Stellung gebracht worden. Das ganze Gelände war mit unzähligen Bäumen und Hügeln bestückt; auf mehreren Kuppen standen Kameras, so daß aus verschiedenen Perspektiven gefilmt werden konnte.
    Die ganze Gesellschaft hatte sich zu einem späten Mittagessen auf Decken und Tüchern im verdorrten Gras niedergelassen. Fritzi nahm an, daß Loy bei den Reitern war, die sich über das ganze Gelände verteilt hatten. Die meisten saßen nicht zu Pferde, sondern rasteten. Bis Tagesende würde sie ihn wohl gefunden haben, oder er sie. Das war der Vorteil ihrer Kleidung, sie sah aus wie eine Jachtflagge.
    Sie schlenderte durch die Menge, begrüßte Henry Walthall von der Biograph, den Star dieses Films. Dann unterhielt sie sich mit einem freundlichen jungen Kameraassistenten, der sich als Karl Brown vorstellte. Sie fragte ihn nach der verwendeten Munition.
    »Scharfe Geschosse in den Kanonen«, antwortete er höflich. »Männer hinter der Kamera werfen Feuerwerkskörper. Was wir heute morgen gedreht haben, sah umwerfend echt aus.«
    Die Crew war mit dem Essen fertig und machte sich wieder an die Arbeit. Die meisten arbeiteten mit nackten Oberkörpern, trotzdem waren sie schweißgebadet. An Kamera Nummer eins stand Billy Bit-zer und besprach sich mit Mr. Griffith. Bitzer sah aus, als müßte er auf der Stelle wegschmelzen in dem langärmligen Hemd und mit dem zugeknöpften Kragen samt Krawatte. Dagegen wirkte Griffith richtig kühl in seinem zugeknöpften Sommeranzug und mit dem Strohhut ohne Deckel, so daß die Sonne seinen Schädel bescheinen konnte. Fritzi erinnerte sich, gehört zu haben, er sei der Meinung, Sonnenlicht bewahre vor einer Glatze. Griffith erkannte sie, lächelte und tippte mit dem Finger an seinen Hut.
    Die Schlacht, die an diesem Nachmittag gefochten wurde, war spektakulär und ohrenbetäubend laut. Griffith hatte ein kunstvoll ausgeklügeltes Signalsystem entwickelt, mit dem seine Assistenten die Menschenmenge auf dem Schlachtfeld durch Handflaggen und Spiegel dirigierten. Soldaten im Grau der Konföderierten stürmten Feldschanzen, die von Soldaten im Blau der Unionsstaaten verteidigt wurden. Kavalleristen ritten Angriffe und Gegenangriffe. Henry Walthall, der einen konföderierten Oberst spielte, führte seine Männer an die feindlichen Linien und vereitelte die Absichten des Gegners. Im Staub und im Durcheinander galoppierender Kavalleristen war es unmöglich, Loy zu finden.
    Die Kanone dröhnte; die Feuerwerkskörper platzten und rauchten, daß Fritzis Augen brannten und tränten. Für einige Momente hatte sie den aufregenden und unheimlichen Eindruck, um fünfzig Jahre zurückversetzt zu sein. Jetzt bekam sie ein Gefühl dafür, was ihr Vater durchgemacht haben mußte, als er für den Norden gekämpft hatte.
    Am Nachmittag stürzte ein Schauspieler vom Pferd und mußte auf einer Bahre weggetragen werden. Es war der einzige Verletzte. Das sprach für Griffith’ sorgfältige Vorbereitung. Es wurde Abend, die Sonne stand tiefer am Himmel, ein deutlicher Dunstschleier verdun-kelte den Drehort. Griffith befragte seine Kameramänner und erfuhr, daß alle zufrieden waren mit dem, was sie gedreht hatten; er gab das Zeichen zum Ende.
    Sie hätte gern mit Griffith gesprochen, aber es gelang ihr nicht; er war zu beschäftigt und ständig in Bewegung. Sie ließ sich im Schatten eines Eukalyptuswäldchens auf einem Hügel nieder, während die Statisten ihre Tagesgage in Empfang nahmen und sich auf den Weg zu ihren Autos oder zur Trambahnhaltestelle machten. Griffith’ Mitarbeiter luden die Ausrüstung in Lastwagen. Nach ungefähr fünfzehn Minuten kam Loy den Hügel heraufgeschlendert; seine Stiefel waren staubig, sein blaues Hemd stand bis zur schweißbedeckten Brustmitte offen. Als er sie sah, knöpfte er es hastig zu, dann trat er auf sie zu, zum Gruß mit einem Finger an seinen kegelförmigen Hut tippend.
    »Ich dachte schon, Sie würden mich nicht finden«, sagte Fritzi.
    »Hab’ Sie schon vor einer Stunde gesehen. Diese Streifen kann man gar nicht übersehen.« Als er ihren Arm berührte, um ihr aufzuhelfen, hatte sie das Gefühl, ein elektrischer Blitz fahre durch sie hindurch. »Hungrig? Ich kenne ein Gasthaus ganz in der Nähe. Oder wir nehmen die rote Tram und fahren irgendwohin.«
    »Ich hab’ das Firmenauto. Wir können fahren,

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