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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wohin Sie wollen.«
    »Na, wenn das keine Überraschung ist.« Er ließ seine Hand an ihrem Ellbogen und führte sie galant über das unebene Gelände bis zum nächsten Fußweg. »Ich kenne eine kleine cantina im Süden von Los Angeles, wenn Ihnen das nicht zu weit ist.«
    »Aber nein, gar nicht.« Mit ihm an der Seite wäre sie bis zum Nordpol gefahren.
    Es dauerte fast eine Stunde, bis sie die Stadt erreichten. Loy entspannte sich auf dem Beifahrersitz, während sie das Auto durch den Verkehr steuerte, der von Tag zu Tag zuzunehmen schien, ein Gewimmel von Automobilen, Pferdewagen und Kutschen. Sie fühlte sich wunderbar. Ihr Fahrschleier wehte elegant aus dem offenen Auto. Loy plauderte unterhaltsam, den Hut tief in die Stirn gezogen, einen Arm lässig über der Tür des Packard. Er hatte die Freundlichkeit eines jungen Hundes - die Kehrseite der gewalttätigen Anwandlungen, die sie auch schon an ihm beobachtet hatte.
    Die cantina war ein dunkles, ruhiges Gasthaus ohne elektrisches Licht. Kerzen beleuchteten grob gezimmerte Tische, Sägemehl be-deckte den Boden. Loy bestellte für beide - Mehltortillas mit einer heißen Füllung aus Rindfleisch und Bohnen sowie eine Flasche Rotwein im Weidenkorb.
    »Seit wann sind Sie in Kalifornien, Loy?«
    »Mal überlegen. Seit circa vier Jahren, würd’ ich sagen. Meine Familie hatte eine Ranch im Bailey County, an der mexikanischen Grenze. Nachdem unser Onkel starb, hat’s mich nicht mehr dort gehalten, und meine Schwester - tja, sie konnte die Ranch auch nicht mehr bewirtschaften.« Ein unglücklicher Ausdruck schlich sich in seine Augen. »Wir haben verkauft.«
    »Beim Film scheint’s Ihnen gutzugehen.«
    »Kann man sagen. Wird aber ein bißchen weniger. Die Woche, bevor ich bei Liberty gearbeitet habe, in dem Film, wo Sie alle so zum Lachen gebracht haben, da war ich von Ince für einen Western angeheuert. Mußte aber am ersten Tag schon dichtmachen.«
    »Warum?«
    »Nicht genügend Pferde. Viele hat sich Griffith geschnappt. Den Rest europäische Aufkäufer.«
    »Aber wieso denn die, um Himmels willen?«
    »Kavallerie und Artillerie. Es heißt, daß die drüben alle mobilmachen.«
    Fritzi schauderte. Der Gedanke an Krieg erschreckte sie. Aber sie wollte das herrliche Gefühl durch nichts zerstören lassen, in das der Wein und Loys Nähe sie versetzten.
    »Ich hoffe und bete, daß es keinen Krieg gibt«, sagte sie energisch.
    Er zuckte mit den Achseln. »Glaube nicht, daß uns das viel anhaben könnte. Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    »Aber nein! Bitte!«
    Ihr Überschwang ließ ihn schmunzeln. Er zündete sich eine gebogene Pfeife an, die mit rumgetränktem Tabak gestopft war.
    »Arbeiten Sie heute zum ersten Mal für Mr. Griffith?«
    »Nein. Voriges Wochenende hat er einen ganzen Haufen von uns runter nach Whittier genommen, wo er uns alle in Ku-Klux-Klan-Gewänder gesteckt hat für den großen Klan-Ritt, für die Befreiung, wie er sagt. Hat mir nicht sonderlich gefallen. Wissen Sie, meine Schwester und ich haben früh unsere Eltern verloren, wuchsen bei unserem Onkel Nate auf. Der kämpfte im Krieg bei den Konföderier-ten, Siebtes Freiwilligenregiment Texas. Er hatte nicht viel für die Sache der Sklaven übrig, da war er wie Bob Lee. Nach dem Krieg sagte er, jetzt sei er wieder Amerikaner und befolge amerikanische Gesetze, auch die, nach denen Nigger freie Bürger sind und gleiche Rechte haben wie Weiße. Einigen von Onkel Nates Nachbarn im Bailey County gefiel das nicht. Sie brannten ihm zweimal das Haus nieder. Männer mit Kapuzen. Hab’ den Eindruck, Mr. Griffith ist ’ne gehob’ne Kopie davon. Ohne Kapuze, aber mit demselben alten Haß. Sie werden’s im Film sehen.«
    Der Wein machte sie mutig. Sie sagte: »Denken Sie daran, einmal seßhaft zu werden?«
    Er nahm die Pfeife aus dem Mund und lehnte sich zurück, als wolle er den Abstand zwischen ihnen vergrößern. Bei Fritzi schlug eine Alarmglocke an.
    »Sieht nicht so aus. Herumstreunen liegt mir im Blut.« Ein dicker Mann in besticktem Hemd kletterte mit seiner Gitarre auf einen Stuhl; er stimmte Cielito Lindo an. »Wollen Sie nach Texas zurückgehen?« Sein Mund wurde schmal. »Nie.«
    »Nicht einmal, um Ihre Schwester zu besuchen?«
    »Macht nicht viel Sinn. Würde mich wahrscheinlich gar nicht erkennen. Sie ist in einem Heim. Wird dort bleiben.« Er klopfte mit dem Fingernagel an den Pfeifenkopf. »Armes Ding, ist nicht ganz richtig im Kopf.«
    »Oh, Loy, das tut mir leid. War sie schon immer ...«

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