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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ich deinen Bericht über sein Verhalten bereits weitergegeben hatte, ließ man keine Gnade mit ihm walten. Er wurde an die Wand gestellt.«
    Carl empfand keine Befriedigung. Er nippte an dem lauwarmen Wasser der Feldflasche, die Bert für ihn gefüllt hatte.
    »Übrigens, mon ami. Unsere Arbeitgeber haben immer noch nicht bezahlt. Das heißt, daß wir jetzt seit gut zwei Monaten darum betteln. Mir geht allmählich die Geduld aus. Außerdem sieht es aus, als ob die Rebellen gewinnen. General Obregöns Nordwesteinheit hat Guadalajara erobert. Huerta ist vorgestern zurückgetreten und hat sich auf einem deutschen Marinekreuzer ins Exil abgesetzt. Ein Mann namens Francisco Carvajal, der ehemalige Chef des Obersten Gerichtshofes, tut alles, um die Regierung zusammenzuhalten. Wenn wir für diese Leute kämpfen, dann müssen wir dafür bezahlt werden, wenn es schon nicht mit Ehre oder Hoffnung auf Sieg verbunden ist.«
    Carl ließ sich Renés Worte einen Augenblick lang durch den Kopf gehen. »Herrscht in Europa Krieg?«
    »Noch nicht.« René zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand, der weniger als ein Fingerbreit maß. »So nah dran. Alle mobilisieren. Spätestens im August geht’s los. Ich nehme an, daß mein Land seine Flieger besser bezahlt.« René war im Begriff, ein Zigarettenpapier zu befeuchten. »Sollen wir’s drauf ankommen lassen?«
    »Und was ist mit unserem Vertrag mit denen hier?« fragte Carl.
    »Ich schlage vor, wir beenden ihn um Mitternacht. Ich will denen bestimmt keine Gelegenheit geben, uns zu bestrafen. Wir könnten
    Kurs auf die Golfküste nehmen und unsere Überfahrt auf einem Frachtschiff abarbeiten. Nach New Orleans vielleicht. Diesen Leuten schulden wir gar nichts, Carl. Sie haben uns nicht fair behandelt. Was meinst du dazu?«
    Carl hatte wieder den entsetzlichen Luftkampf mit Harvard vor Augen.
    »Werd’s dir sagen.«
    Mit einem Achselzucken ging René hinaus.
    Carl saß allein auf einem Felsbrocken in einiger Entfernung des Zuges. Auf seinen Knien lag Tess’ roter Seidenschal. Der Schal hatte viel mitgemacht. Beide Enden waren ausgefranst, und seit dem Absturz war die Seide voll dunkelbrauner Blutflecken. Er hatte den Schal bereits gewaschen und einen drei Finger breiten Riß genäht. Jetzt hatte er ein Tuch und eine Schüssel mit Wasser vor sich stehen und bearbeitete die Flecken.
    In Frankreich fliegen, in einem anderen Krieg? Warum eigentlich nicht? Während er sich nach dem Absturz erholte, hatte er den vertrauten Stolz verspürt und schlichte Freude über die Tatsache, daß er noch am Leben war. Er erinnerte sich an ähnliche Gefühle, wenn er in schnellen Autos mit knapper Not dem Tod entronnen war. Vielleicht war das Überleben in gefährlichen Situationen die einzige Leistung in seinem Leben. Und wenn er Renés Angebot ablehnte, was sollte er dann machen? Zurück nach Chicago humpeln und dem General gestehen, er sei bereit, in der Brauerei zu arbeiten? Selbst wenn er sich dazu überwinden würde, wäre es sinnlos, denn in den Zeitungen stand, die Vereinigten Staaten seien auf dem Weg zur alkoholfreien Nation. Die Brauereien würden wohl schließen müssen.
    Carl starrte auf die Flecken. Das Wasser konnte sie nicht entfernen, nur ein bißchen bleichen. Er warf das Tuch in die Schüssel, schlang sich den nassen Schal um den Hals und machte sich auf die Suche nach René, um ihm seine Entscheidung mitzuteilen. Der Indianerjunge würde ihm fehlen, Bert und seine berühmt-berüchtigten Kochkünste. Auf alles andere konnte er liebend gern verzichten.
66. FRITZI UND LOY
    »Machen Sie sich nicht zu fein«, hatte Loy gesagt. Fritzi dachte nicht im Traum daran. Am Samstag vormittag brachte sie nur zwei Stunden damit zu, alle möglichen Kombinationen vor dem Spiegel auszuprobieren.
    Aber sie war mit jeder unzufrieden, und plötzlich hatte sie keine Zeit mehr und entschied sich schließlich entmutigt für das einfachste
    - eine weiße Bluse mit dunkelblauem Seidenschal, einen blauweiß gestreiften weiten Rock, einen hübschen Panamahut mit blauem Band, weiße Strümpfe und weiße Wildlederschuhe mit braunen Spitzen.
    Sie nahm die Trambahn bis Edendale, wo B. B. den Packard geparkt hatte, den sie sich gestern abend telefonisch reserviert hatte. Damit fuhr sie die schlechte, kurvenreiche Straße durch den Laurel Canyon zur riesigen Ranch der Universal im San Fernando Valley; Mr. Griffith drehte dort The Clansman.
    Trotz Eddies Vorinformationen über die Ausmaße der Produktion war sie

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