Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Waynes Tod ändern lassen. Ich habe ihm erklärt, aus welchem Grund.«
    »Er ist mein Sohn?« sagte Carl. »O mein Gott. All die Jahre wußte ich nicht .?«
    Sie küßte ihn rasch und leidenschaftlich. »Wenn jemand schuld hat, dann ich.«
    »Weiß er von mir?«
    »Ja, ich habe es ihm erklärt. Er ist klein, aber sehr vernünftig. Ich glaube nicht, daß er verletzt ist, eher neugierig. Vor allem, was dich betrifft. Er hat mich vieles gefragt und gab auch zu, nie eine tiefe Bindung zu Wayne empfunden zu haben, was er bis zu diesem Augenblick immer bedauert hatte. Ich habe Hal gerufen, als man mir sagte, du seist hier. Er wartet in der Bibliothek.«
    Sie nahm seine Hand und zog ihn zum Flur. »Er ist ein guter Junge, du wirst ihn mögen.«
    Sie gingen über den Marmorboden zu einer offenstehenden Tür. In der Bibliothek schaute der Junge den nahenden Schritten erwartungsvoll entgegen. Die zusammengepreßten Spitzen von Zeigefinger und Daumen verrieten seine Nervosität. Carl bemerkte sofort die Ähnlichkeit. Er hatte sie früher schon an den Augen gesehen. Seine eigenen Augen füllten sich mit Tränen.
    »Hal, hier ist dein Vater«, sagte Tess mit einem Lächeln voller Liebe. Sie trat einen Schritt zur Seite, um Carl vorbeizulassen. Ein warmes Gefühl des Glücks und der Zufriedenheit durchströmte ihn, und ihm war klar, daß er in diesem Augenblick eine neue Welt betrat, in der seine unerfüllten Träume und Hoffnungen eines Tages doch noch Wirklichkeit werden konnten.
89. DAS UNVOLLENDETE LIED
    »Ja, Mr. Folger, ich habe es notiert. Kundgebungen im Freien in Eureka, Santa Rosa, Napa und Oakland. Dann die Parade und das Vortragsprogramm in San Francisco. Nein, danach kann ich nichts mehr tun. Ich habe mein Haus vermietet und beschlossen, nach New York zurückzukehren. Ich habe genug vom Film, und das Studio setzt mich ohnehin nicht ein. Nein, Mr. Folger, ich scherze nicht. Ich will Ihnen die Umstände nicht näher erklären, Sie würden sich zu Tode langweilen. In Ordnung, vielen Dank. Auf Wiederhören.«
    Fritzi hängte die Sprechmuschel des Wandtelephons ein. Umrahmt von einem sonnigen Rechteck blieb sie eine Weile stehen. Im Flur erinnerte sie ein Stapel leerer brauner Schachteln ständig daran, daß sie packen mußte. Hinten in der Küche schlürfte Schatzi Wasser aus ihrem Napf.
    Das Haus war still, fast wie tot. Um zwei Uhr nachmittags stand die Dezembersonne bereits tief, das Licht war stumpf und wärmte nicht. Fritzi strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und entfernte sich mit kraftlosen Schritten von der Wand. In vier Tagen sollte sie in den Osten reisen. Sie hatte vor, ihren Eltern noch einen Besuch abzustatten, ehe sie nach New York weiterfuhr, wo sie, matt und mitgenommen, aber keineswegs übersättigt, wieder im Theater anfangen würde. Hm, ob Harry Poland nicht einen Song darüber schreiben könnte? Vermutlich schon, aber wer würde den schon kaufen?
    Schatzi kam aus der Küche und folgte ihr. In der Mitte des Flurs, vor einem Spiegel, fiel Fritzi etwas ins Auge. Sie beugte sich so weit vor, daß ihre Nase fast das Glas berührte, und zog eine Haarsträhne hinter ihrem linken Ohr hervor. Grau. Großer Gott - die ersten Zeichen des Alters. Was kam als nächstes?
    Sie schlenderte ins Vorderzimmer und ärgerte sich über das Durcheinander - Nippes aus Keramik, Theaterzettel, Hefte mit Zeitungskritiken ihrer Filme lagen herum und warteten darauf, eingewickelt und verpackt zu werden. Sie bahnte sich mit dem Fuß einen Weg durch leere Kartons und kurbelte das Victrola-Grammophon an. Fünfmal spielte sie A Girl in Central Park ab, dann legte sie Carusos Vesti la giubba auf. Es gefiel ihr fast ebensosehr wie Harrys Lied, obwohl der von Seelenpein gequälte Tenor sie jedesmal aufs neue ergriff. Sie wußte, warum il Pagliäcciao weinte.
    Die Tatsache, daß sie Filmschauspielerin war, würde ihr am Broadway einige Türen öffnen, aber sie befürchtete, daß es die Rollen, die man ihr anbot, einschränkte - verrückte Tanten und närrische Mädchen in Schwänken, niemals Ophelia oder Medea. Sie war auf einen bestimmten Typ festgelegt. Was für Rollen würde man ihr erst anbieten, wenn sie die Vierzig überschritten, die kleinen Fettpolster ihrer Taille sich zu Schwimmringen aufgebläht und die grauen Locken sich wie Löwenzahn vermehrt hatten? Falls man ihr dann überhaupt noch Rollen anbot!
    Leoncavallos Arie klang durch das Haus. Zum Teufel mit der Packerei! Sie ließ sich in den Sessel fallen, lehnte sich

Weitere Kostenlose Bücher