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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einer mit Löchern versehenen Ölbüchse. Sie gab Wärme ab und viel Rauch, an dem man in dem kleinen Raum beinahe erstickte; aber man roch dadurch weniger von den Ausdünstungen feuchter Uniformen, ungewaschener Soldaten und deren Exkremente.
    Der Boden über ihnen bebte, als französische Minen einschlugen. Erde bröckelte auf Pauls Haar. Mißtrauisch musterte er die Holzstützen des Unterstands. Sammy wirkte nervös. »Verdammt gemütliches Plätzchen, was?«
    Unter Pauls Kleidung ging Ungeziefer auf Erkundungsreise. Es bahnte sich einen Weg unter den schmutzverkrusteten Mantel, den Spenzer, zwei Hemden und die Unterwäsche und juckte barbarisch. »Als ständigen Wohnsitz würde ich es mir nicht gerade wünschen.«
    Am Eingang des Bunkers rief jemand: »Sie kommen!« Paul hörte das Gewehrfeuer, als die Artillerie verstummte. Major Nagel hatte Scharfschützen in die Sappen geschickt, um den französischen Soldaten, die über das Niemandsland heranstürmten, mit Flankenfeuer zu begegnen. Paul zerkaute seine Zigarre, als Soldaten draußen anfingen zu schreien und zu jammern.
    Maschinengewehre ratterten. Rote und gelbe Blitze leuchteten über dem Schutzbunker auf - Leuchtbomben, die abgeschossen wurden, um Licht auf die Angreifer zu werfen. Die Attacke dauerte vierzig Minuten. Doch die Deutschen hielten die Stellung; die Linien blieben ungebrochen. Schließlich verhallten auch die letzten Schüsse. Ruhe kehrte ein. Jemand rief, die Luft sei rein. Paul und Sammy kletterten aus dem Unterstand. Als Paul ins Freie trat, sah er einen jungen Obergefreiten, der über den Rand des Grabens hing. Der Kiefer war ihm weggeschossen worden; die Augäpfel standen hervor wie gekochte Eier. Paul würgte.
    Die Poilus waren in ihre Gräben zurückgekehrt. Unter dem kalten Sternenhimmel krochen Nagels Männer nach vorn, um Leichen aus den Sappen zu ziehen und sie ein paar Meter vor dem Schützengraben aufzuhäufen. Paul zählte leise mit. Fünfzehn. Sammy zog an seiner Zigarette, während sie zusahen.
    »Wie viele haben in diesem Krieg schon dran glauben müssen?« fragte Sammy.
    »Weiß der Himmel. Eine Million Deutsche, eine Million Franzosen, vielleicht genauso viele Engländer. Ist es ein Wunder, wenn die Roten den Krieg eine Verschwörung von Königen und Kapitalisten gegen die Armen und Machtlosen nennen?«
    Sammy blickte sich rasch um und erwiderte leise: »Aber wir wissen, welche Seite im Recht ist, stimmt’s, Chef?«
    »Ja, wir schon.«
    Halb erfroren schlief Paul in dieser Nacht im Bunker. Bei Morgengrauen lud er die Kamera, kletterte aus dem Graben und suchte den besten Platz, um den Leichenberg zu filmen. Er erinnerte sich, so ein Gemetzel schon einmal aufgenommen zu haben, und zwar nach dem Sturmangriff von Oberst Roosevelt auf San Juan Hill im Jahr 1898.
    Allmählich drang die Scheibe einer blaßgelben Sonne durch den dünnen Morgennebel. Alle Geräusche waren gedämpft, aber Paul hörte, wie sich Männer im Niemandsland bewegten. Er stellte gerade die Kamera auf, als Major Nagel aus dem Schützengraben auf ihn zustürmte.
    »Das können Sie nicht machen, das ist verwerflich!«
    »Herr Major, ich habe die Erlaubnis. Ich habe Papiere, die unterzeichnet sind von ...«
    »Das ist mir egal, und wenn sie von General Moltke unterschrieben sind. Es ist mir egal, ob die Heilige Jungfrau persönlich vom Himmel herabgestiegen ist, um sie zu unterschreiben, es ist verwerflich!« schrie der aufgebrachte Offizier. »Ich habe gestern gute Männer verloren. Ich habe meinen zweiten Offizier verloren, Hauptmann Franz, einen vielversprechenden jungen Mann. Alles, was von ihm übriggeblieben ist, sind kleine Fetzen. Es gehört sich nicht, das zu filmen, haben Sie mich verstanden?«
    Plötzlich aschgrau, schlug er die Hände vors Gesicht und schluchzte. Er schwankte wie ein Schößling im Sturm. Als ihn ein Feldwebel wegführte, erklärte ein Oberleutnant:
    »Sie müssen wissen, dem Herrn Major geht sein Beruf über alles, die Armee ist sein Leben. Zu Hause hat er vier Kinder, Mädchen. Er hatte Franz wie einen Sohn angenommen und sich um ihn gekümmert. Dieser schmutzige Krieg zermürbt uns alle. Ich muß Sie bitten, wieder in Deckung zu gehen. Das Gebiet wird von Scharfschützen beobachtet, und der Nebel lichtet sich bereits.«
    »In Ordnung«, murrte Paul. Aufgrund der winterlichen Kälte und ihrer unbequemen Unterbringung hatten seine Rückenschmerzen wieder eingesetzt. Sammy trottete herbei und bot an, die Kamera zu tragen. Paul

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