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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Maisie bereits die Stadt verlassen und war auf dem Weg zu Verwandten nach Wyoming.« Er blinzelte. »Haben wir denen wenigstens erzählt. Merkle kann ihnen nicht helfen, er hält sich für unbestimmte Zeit im Yonkers Hospital auf.«
    Sie würde also Maisie nicht wiedersehen. Das machte sie traurig, sie mochte das dicke Mädchen.
    Fritzi saß am Union Square und genoß die Sonne. Der schwindende Tag tauchte den Platz in ein blasses gelbbraunes Licht. Zu ihren Füßen sammelten sich Papierabfall, Taubenkot und Erdnußschalen. Die Luft schwirrte vom Geschrei der Taxifahrer, von dem Rasseln der Schneeketten und Wiehern der Pferde, dem Singsang der Zeitungsjungen, den Geigen und Ziehharmonikas der Straßenmusikanten, dem Hupen der Taxis und Geknatter der Benzinmotoren, den lärmenden Stimmen in fremden Sprachen - dieser Musik von New York, die sie so liebte. Heute hörte sie nicht darauf. Sie war in ihre Stellenanzeigen vertieft.
    Unweit von ihr rief ein Mann mit lauter Stimme: »Ich brauche vier Statisten.« Er hielt vier Finger in die Höhe. »Die Gage ist sechzig Cent.« Fritzi nahm an, daß der Fremde einer von denen war, die man »Statistenkapitäne« nannte. Sie hielten sich jeden Abend um diese Zeit am Union Square auf, immer auf der Suche nach Statisten für die Abendvorstellungen.
    Fritzi hatte ihre Statistenrolle in Die Braut des Mongolen nicht gemocht. Als Statist spielte man nicht; man probte auch nie. Man kam ungefähr fünfunddreißig Minuten bevor sich der Vorhang hob, um das Kostüm anzuziehen und einfache Instruktionen entgegenzunehmen. Den meisten war es gleichgültig, in welchem Stück sie auftraten. Viele waren Arbeitslose, die Geld für Alkohol brauchten, und die Statistenkapitäne waren in der Regel nicht besser.
    Heute konnte sie jedoch nicht wählerisch sein. Sie hob die Hand.
    Der Mann trat an ihre Bank. Er trug eine alte, aber saubere Cordjacke, eine Hose, ein Arbeitshemd und ein blaues Arbeiterhalstuch. Er war um die Dreißig und hatte ein freundliches, faltiges Gesicht. Er legte den Finger an die Mütze.
    »Hallo, meine Liebe. Ich bin Earl.« Seine hellbraunen, goldgesprenkelten Augen waren seltsam verwirrend.
    »Suchen Sie jemanden für eine Vorstellung heute abend?«
    »Ja, aber ich kann nur Männer gebrauchen. Tut mir leid.« Er lächelte, und dabei entblößte sein breiter Mund eine Reihe von großen, schön geformten, weißen Zähnen. Obwohl sie sein Lächeln anziehend fand, war es auch beängstigend.
    Während er Fritzi von oben bis unten musterte, sagte er: »Ich kenne Sie nicht. Da habe ich anscheinend was verpaßt. Aber Sie müssen wissen, daß ich das hier nicht regelmäßig mache.«
    »Ich mach’ es gar nicht, wenn es sich vermeiden läßt.« Sie überlegte, wie sie sich am besten davonstehlen könnte, und trat einen Schritt zur Seite.
    Er machte einen Schritt nach vorne. »Schauspielerin, was?« Sie nickte und ging weiter. »Hätten Sie Lust, ein Bier mit mir zu trinken, wenn ich meine vier Leute zusammenhabe?«
    »Nein, danke.« Sie drehte sich rasch um und eilte davon.
    Als sie zurückblickte, sah sie, daß er ihr folgte, mit finsterem Blick
    - beleidigt von ihrer Abfuhr. Auch andere starrten ihn an; er blieb stehen und schrie hinter ihr her:
    »Geh doch auf die Straße, du Schlampe, ist mir doch egal.« Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte in die andere Richtung davon. »Vier Statisten, ich brauche vier Statisten.«
    Sie rannte zwei Straßen weit, bevor sie stehenblieb und zurückschaute. Warum hatte der Mann sie so aus der Fassung gebracht? Seine Augen und seine zornige Hartnäckigkeit .
    Oder reagierte sie zu heftig, weil sie von ihren Zusammenstößen mit Oh-Oh und dem Bowery-»Agenten« zermürbt war? Obwohl sie keine Antwort darauf wußte, war sie dankbar, dem Fremden entkommen zu sein und in der wimmelnden Menschenmenge New Yorks untertauchen zu können.
13. BLECHSCHADEN
    In der zweiundzwanzigsten Runde brachte Artie Flugel seinen kleinen Mason vor Carl absichtlich ins Schleudern, um Carls Windschutzscheibe in eine Staubwolke zu hüllen und ihm so die Sicht zu nehmen. Das war ein gefährlicher Trick, den nur routinierte Fahrer anwandten. Artie wollte nicht nur das Preisgeld einstreichen, sondern auch noch die fünf Dollar gewinnen, um die er mit Carl gewettet hatte.
    Carl hielt den Wagen sozusagen blind, nur von seinem Instinkt geleitet, in der Mitte der Geraden. Der Staub verflog; im Sonnenschein tauchten jetzt die Haupttribüne und die Boxen auf. Es blieben

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