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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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das ihn an ihre erste Begegnung erinnerte, nahm sie sich den roten Schal vom Hals, reckte sich und legte ihn ihm über die Schultern.
    »Mein strahlender Ritter auf einem Benzinpferd. Ich überreiche dir ein Pfand, damit du mich nicht vergißt.«
    »Dich vergessen? Ich liebe dich, Tess.«
    »Sagen wir Sonntag?«
    »Wie wär’s mit einem Picknick auf der Insel Bois Blanc? Ich ruf dich an.«
    »Nein, das ganze Personal kennt inzwischen deine Stimme. Sie könnten es Vater sagen, und ich möchte jede weitere Auseinandersetzung vermeiden. Ich treffe dich im Hotel Wayne vor dem Rollschuhpavillon. Ich bringe was zu essen mit. Elf Uhr?«
    »Wunderbar«, antwortete er. »Ich liebe dich.«
    Sie küßte ihre Fingerspitzen und berührte damit seine Wange, dann drückte sie die Kupplung und schoß davon, vorbei an einem entgegenkommenden Lieferwagen, der Fässer mit einem ihm nur allzu vertrauten Namen geladen hatte. Carl starrte dem Lieferwagen nach, der kaum sechs Fuß von ihm entfernt über die Kreuzung rollte. Ihm war, als strecke sich die Hand Gottes oder die Hand von Joe Crown nach ihm aus und erinnere ihn an Dinge wie Pflicht, Anständigkeit, die Ehre der Frau. Im Moment wußte er nur eines, er mußte mit Jesse reden. Ihn um Rat fragen. Jetzt sofort.
    Der schwarze Junge, der den Zigarrenladen ausfegte, warf Carl einen neugierigen Blick zu. Der Junge sah einen stämmigen weißen Mann mit sorgenvollem Gesicht und einem roten Schal, der im Frühlingswind hinter ihm herwehte, während er in Richtung Piquette Avenue marschierte.
31. BARBARISCHE GRAUSAMKEIT
    »Wenn du tatsächlich der strahlende Ritter bist, wie sie dich genannt hat, dann wirst du sie wohl retten müssen, oder?« Jesse saß mit einem öligen Lappen in der Hand auf einem Faß und ließ Carl nicht aus den Augen. Das Licht einer Petroleumlampe erhellte den Schuppen. Rauchend stapfte Carl von einem Ende zum anderen und wieder zurück, wobei sich die Absätze seiner Stiefel jedesmal tiefer in den gestampften Boden drückten.
    Carl hatte Jesse erst heute am Mittwoch abend angetroffen. Den Abend zuvor hatte er zwei Stunden auf Jesses Vorderveranda gewartet, aber Jesse war nicht nach Hause gekommen. Wie sich herausstellte, hatte er sich mit Kollegen aus der Gießerei getroffen, um zu besprechen, wie sie zu einer Antwort auf ihr Gesuch um eine Abstimmung über den Gewerkschaftsbeitritt kommen sollten.
    Carl zog an der selbstgedrehten Zigarette. »Ja, du hast recht«, stimmte er zu. Er erzählte seinem Freund von Clymers Ultimatum an Tess und von ihrer Reaktion, erzählte weiter, daß sie auf ihrer Fahrt übers Land darüber gesprochen hätten, sonst erzählte er nichts.
    »Was stellst du dir vor?«
    »Barney Oldfield meinte, er hätte im Spätsommer vielleicht einen Job für mich. Wenn er mich einstellt und Tess mich heiraten würde, könnten wir weg aus Detroit.«
    Jesse spitzte den Mund. »Um mit diesem Rennvolk durch die Lande zu ziehen? Hast du mir nicht gesagt, daß das ein ziemlich mieser Haufen ist, bei dem ständig getrunken und gehurt wird? Glaubst du, daß du sie so glücklich machen würdest? Könnte wie lange gutgehen? Sechs Monate vielleicht? Vielleicht auch ein Jahr, wenn sie dich so liebt, wie du behauptest.«
    »Sie sagte, sie würde für mich durchs Feuer gehen, Jess. Mit genau diesen Worten.«
    »Wenn man verliebt ist, sagt man viel. Und dann kommt der All-tag und das harte Überleben, und eines Tages wundert man sich, wie einem so etwas je über die Lippen kommen konnte. Ich würde es mir ganz gründlich überlegen, bevor ich eine junge Dame aus gutem Hause von all dem, was sie kennt, weglotse, um mit ihr durch verräucherte Bars und schäbige Hotels zu ziehen.«
    Carl ließ seine Zigarette fallen und trat sie aus. Jesse hatte recht, er brauchte nur an das Gasthaus zu denken, in dem er Barney kennengelernt hatte. Er fragte sich, ob die Besorgnis um Tess nicht auch ein Vorwand war, um zu vermeiden, was er fürchtete: die Pflichten, die mit einer Heirat verbunden waren.
    Er wollte etwas sagen, aber die Geräusche, die von draußen hereindrangen, ließen ihn innehalten. Er hörte Schritte näher kommen. Der flackernde Lampendocht spiegelte sich in Jesses Augen, als er Carl den Kopf zuwandte. Er hatte auch etwas gehört.
    »Da ist jemand draußen, Jess.«
    »Der Kampf geht dich nichts an«, entschied Jesse mit belegter Stimme. »Verschwinde in der Gasse.« Er deutete mit dem Kopf auf eine zweite Tür hinter sich.
    »Was für ein Kampf? Mit wem?« Ein Mann

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