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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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knetete die Hände, die in ihrem Schoß lagen. Er überlegte kurz, ob es mit ihrer monatlichen Unpäßlichkeit zu tun haben könnte, kam jedoch schnell zu dem Schluß, daß es etwas viel Ernsteres sein mußte.
    »Wo willst du hin?«
    »Irgendwo aufs Land. Egal wohin.«
    Er zog den Kopf ein, um nicht am Dach anzustoßen, knallte die Tür zu und ergriff das Steuer. »Hat dir die Frau am Telephon wegen des Anrufs Schwierigkeiten gemacht?« fragte sie.
    »Das macht nichts, sie wußte, daß es ein Notfall war. Hat dir jemand weh getan?«
    »Nicht körperlich.« Sie schloß die Augen, und sogleich rannen ihr Tränen über die Wangen. »Fahr einfach los.« So hatte er sie noch nie gesehen. Sie wirkte immer so stark und sicher.
    Er lavierte sich durch den morgendlichen Berufsverkehr und nahm die Woodward nach Westen, um dann entlang des Grand River nach Nordwesten abzubiegen. Die Luft im Clymer war stickig, und er öffnete einen der Seitenvorhänge. Tess starrte geradeaus durch die Windschutzscheibe.
    Zwei Meilen nach der Stadtgrenze endete der feste Straßenbelag aus Ziegelsteinen. Der Wagen rollte über eine der üblichen Straßen -sie bestand im wesentlichen aus Sand, in den tiefe Rillen eingegraben waren. Sonnengebräunte Männer arbeiteten links und rechts auf Bohnen- und Erbsenfeldern und in Obstgärten. Tess schien etwas entspannter, sie öffnete den Vorhang auf ihrer Seite. Carl bemerkte deutlich den Reichtum der Natur um sie herum: Ahornbäume wechselten sich ab mit Platanen und knospenden Kirschbäumen, Wildblumen blühten, Vögel sangen, ein Hase hoppelte, gefolgt von einem anderen, vor ihnen über die Straße.
    Er sah einen Pfad, der im hohen Gras einer Brache von der Straße abzweigte, und bog augenblicklich ab. Er trat auf die Bremse und stellte den Motor ab.
    »Spann mich bitte nicht mehr länger auf die Folter, Tess. Was ist passiert?«
    »Laß uns ein Stückchen gehen.« Sie stieg aus und blinzelte gegen das Sonnenlicht. Er spürte die Wärme der Erde, die sie umgab. Sie warf ihren Mantel auf den Sitz, setzte ihren Hut ab, ohne jedoch den roten Seidenschal abzulegen, der wie ein langes, leuchtendes Band herunterhing. Hand in Hand schlenderten sie auf einen Weidenhain zu. Ohne ihn anzusehen, begann sie zu sprechen.
    »Es war gestern abend, nach dem Abendessen. Vater bat mich, in sein Arbeitszimmer zu kommen. Ich dachte, es handle sich um etwas Unwichtiges, aber als er die Tür hinter mir zumachte, wußte ich, daß es nicht so war. Er sagte, Wayne dränge ihn, seine Zustimmung zu unserer Heirat zu geben.« Carl spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten.
    »Vater sagte, er sei der Meinung, daß Wayne der ideale Ehemann für mich sei, und ich solle seinen Antrag annehmen. Ich antwortete, das sei ganz und gar unmöglich. Er sagte, meine Gefühle täten nichts zur Sache, in dieser Angelegenheit müsse ich mich seinem Willen beugen. Wir stritten mindestens zehn Minuten lang.« An der Anspannung in ihrer Stimme, dem gelegentlichen Stammeln und den kleinen Pausen zwischen den Wörtern erkannte er, daß Lorenzo Clymer ein entschlossener Gegner gewesen war, dessen Willen sich niemand widersetzen konnte, nicht einmal eine so moderne, unabhängige Frau wie Tess.
    »Ich sagte ihm, daß ich Wayne nicht liebe. Er antwortete, das spiele überhaupt keine Rolle. Eine Heirat sei das, was er wolle, und zwar zu meinem eigenen Besten, und früher oder später würde ich einsehen, daß er recht gehabt hätte. In dem Moment .« Im Schutz des hohen Grases, das sich über den Pfad neigte, drückte sie seine Hand ganz fest. Die morgendliche Brise, die vom Norden her wehte, drückte den Stoff ihrer Bluse gegen ihre Brust.
    »In dem Moment konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich war auf einmal vollkommen hysterisch. Ich habe Vater erklärt, daß ich Wayne nie, niemals heiraten würde. Ich habe gesagt, daß ich dich heirate und sonst keinen.« Carls Eingeweide krampften sich zusammen.
    »Vater lehnte sich in seinem großen Stuhl zurück und starrte mich bloß an. Man hätte meinen können, ich hätte gesagt, ich wolle einen Aussätzigen zum Mann nehmen. Er sagte, er könne nicht glauben, daß ich so halsstarrig und dumm sei. Ich sagte, ich wolle nicht mehr darüber reden, er kenne ja meine Antwort.« Mit der freien Hand tupfte sie sich die Augen ab.
    »Ich muß zugeben, daß ich völlig außer mir war. Er saß da wie ein Stein. Ich wußte, daß er und Wayne ein Komplott geschmiedet hatten. Er sagte, wir würden noch einmal

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