Fremde Gäste
Alistair hatte mich von jeher beunruhigt. Es war vernünftig gewesen, daß sie sich hatten scheiden lasssen, denn offensichtlich konnten sie nicht in Frieden miteinander leben; aber warum konnten sie ihre einstigen Fehler nicht zugeben und einander freundlich und nachsichtig begegnen?
Plötzlich ging mir auf, welch ein Damoklesschwert nun über mir hing: Ich mußte eine große Hochzeit ausrichten! Als ich das sagte, meinte Paul natürlich: »Weshalb eine große Hochzeit? Nur unsere Freunde hier und die Verwandten von Tony. Für große Hochzeiten hab’ ich keine Zeit. Das kostet nur eine Menge Arbeit und viel Geld, und was hat man davon? Ein Mädchen mit einer Masse Konfetti in den Haaren und einen jungen Mann, der aufgeregt einen ruhigen Fleck auf der Straße sucht, wo er die alten Stiefel und die Blechtöpfe abschneiden kann, die ihm ein paar junge Esel an seinen Wagen gebunden haben.«
Im stillen war ich ganz seiner Meinung. Aus unserem Haus heraus hatte nur Edith Freeman geheiratet. Damals hatte der gute Colonel darauf bestanden, daß die Party bei ihm gefeiert wurde. Obwohl eine Menge Leute zugegen waren, war es doch mehr eine lokale Angelegenheit gewesen: lauter Menschen, die Edith kannten und Mitleid mit ihr hatten, weil ihr erster Mann sie so schlecht behandelt hatte. Zum Schluß hatte sich herausgestellt, daß der Mann auch noch ein Heiratsschwindler war, der heimlich das Land verlassen hatte! Das war dann eine stille und einfache, aber glückliche Hochzeit gewesen, bei der nur die hiesigen Freunde vertreten waren.
Bei Tony würde das anders sein. Abgesehen von ihren Eltern, ihrem Stiefvater und dem hochbegabten jüngeren Bruder, mit dem sie sich nie verstanden hatte, gab es in Te Rimu viele Freunde, die ihr zugetan waren und manche heitere Stunde mit ihr verbracht hatten. Außerdem hatte Alistair vermutlich unzählige Bekannte und Geschäftsfreunde, die seine Tochter kannten und auf ihren Reisen mit ihr ausgegangen waren.
Ich fand, es sei besser, Paul auf das Ärgste vorzubereiten, und sagte nachsichtig: »Bei Tony wird’s eine große Hochzeit werden. Sie hat ja eine Unmenge Freunde.«
Doch Paul zeigte sich wenig beeindruckt: »Ja, ja, hier in unserer Gegend. Es wird wie damals, als Edith wieder heiratete.«
Ich konnte ihm nicht recht geben. »Nein, hier liegen die Dinge anders. Schließlich wurde Ediths Hochzeitsfeier mit Ted solch ein Erfolg, weil der Colonel alles so großzügig übernommen hatte. Du weißt schon, was ich meine: Da wurde nirgends gespart.«
Paul nickte und wurde nachdenklich. Das konnte ich verstehen. So eine Hochzeitsfeier ist eine teure Sache. Grob geschätzt würden wir mit mindestens dreihundert Gästen rechnen müssen. Freilich, wir waren nicht gerade arm; in letzter Zeit war unser Einkommen gestiegen. Aber wir hatten viele magere Jahre hinter uns und wußten, was es bedeutete, wieder knapp zu sein. Auch Sam war es so gegangen, ebenso Tim. Diesem hatte zwar der Colonel seine Hilfe angeboten, doch er war eisern abgewiesen worden. Es gab noch mehr Farmer, die bei der Aktion zur Eingliederung heimkehrender Kriegsteilnehmer Land übernommen hatten. Von den ersten waren nicht mehr viele da; aber ihre Nachfolger hatten das Land zu einem ansehnlichen Preis gekauft; sie mußten dann erleben, wie die Preise für die Wolle und das
Vieh durch Jahre hindurch immer weiter zurückgingen.
Jetzt hatte uns die Konjunkturwelle wieder emporgetragen, aber es war auch mancherlei nachzuholen. Solch ein Fest für Tony würde nicht viel weniger als tausend Dollar kosten, und Paul hatte kaum Bargeld zur Verfügung. Was einkam, mußte wieder investiert werden; da war in den schlimmen Zeiten viel versäumt worden.
Vorsichtig sagte ich: »Ich finde, daß das für dich eine große Ausgabe bedeutet, Paul. Es wäre nicht gerecht, dich allein für alles aufkommen zu lassen. Alistair Smale ist sehr großzügig und auch recht wohlhabend. Er sollte auch seinen Teil übernehmen. Er wird es sicherlich anbieten.«
Wie schon erwähnt, hat Paul nie meine Sympathie für Alistair geteilt, obwohl er ihn stets freundlich bei uns willkommen hieß. Trotz der Differenzen mit seiner Schwester bestand wohl doch noch ein gewisses Familiengefühl. Er hatte wohl den Eindruck, daß sie schlecht behandelt worden und ihr erster Mann durch ihre Wiederverheiratung und Tonys Übersiedlung zu uns gar zu leicht davongekommen sei. Tatsächlich hatte Alistair heiter und sorglos seiner Wege gehen können. Er war wohl eingesprungen,
Weitere Kostenlose Bücher