Fremde Gäste
von höchst unterschiedlicher Art. Wie würden die zueinander passen? Tony hatte einen riesigen Freundeskreis. Sie war allen in gleicher Weise zugetan, ob es nun der alte Caleb aus dem Laden war oder der Direktor von Alistairs Betrieb, der sich ihnen offenbar in Japan eng angeschlossen und Tony gründlich verwöhnt hatte. Und trotz Pauls selbstbewußten Äußerungen quälte mich der Gedanke an die enormen Kosten und den noch größeren Arbeitsberg.
Doch es hatte schließlich wenig Sinn, sich schon ein halbes Jahr vorher darüber aufzuregen. Aus verschiedenen Gründen hatten Tony und Peter beschlossen, nicht vor dem September zu heiraten. Der erste Grund war folgender: Peters verantwortlicher und zuverlässiger Tierpfleger hatte nach langen Jahren genügend Geld zusammengespart, um seine Heimat in Schottland besuchen zu können. Peter hatte ihm sechs Monate Urlaub während der kalten Jahreszeit zugesagt; im August würde er zurückkommen. Ihm konnte man die Sorge für die Farm anvertrauen, während das junge Paar seine Hochzeitsreise machte — eine längere Fahrt über die Inseln bis Brisbane. Melbourne, wo Mrs. Maclean wohnte, sollte umgangen werden. Peter konnte seinen Tierpfleger, der schon alles vorbereitet hatte, nicht enttäuschen, und Tony wollte keinesfalls, daß die Farm einem anderen anvertraut würde. »Stell dir vor, wenn den Stuten etwas zustieße oder dem goldigen Fohlen! Ich kann meine Flitterwochen nicht genießen, wenn er nicht da ist, um auf alles aufzupassen.« Das gab den Ausschlag.
Natürlich gab es auch noch andere Gründe. »Wenn die kalte Jahreszeit vorbei ist, ist der Garten so bezaubernd! Alles sieht dann so schön aus«, sagte meine optimistische Nichte. Ich meinerseits dachte an die Septemberstürme und die Verwüstungen, die sie im Garten anrichten. Doch ich sagte nichts, denn ich wollte nicht, daß Tony auch nur ahnte, wie sehr ich mich vor der gewaltigen Arbeit fürchtete, die die Hochzeit mit sich brachte.
Ein weiterer Grund für den Aufschub war folgender: Miranda, das Mädchen mit der angenehmen Stimme und dem schönen braunen Gesicht, würde, wenn Tony ausschied, die gesamte Arbeit in dem Supermarkt übernehmen. »Und sie wird es besser machen als ich, denn sie hat jetzt viel mehr Geschäftsverstand. Die Schwierigkeit besteht darin, daß sie auch in der Poststelle helfen muß, weil es dort sonst für Tantchen zuviel wird. Nicht, daß Tantchen zu alt ist«, fügte Tony hinzu, »aber der Betrieb im
Laden und in der Post und die Überwachung des Supermarkts, das alles ist für jeden eine schwere Aufgabe, trotz Calebs Hilfe und Mirandas Tüchtigkeit. Aber sie hat noch nie in der Post gearbeitet; sie ist auch nicht vereidigt. Das alles braucht seine Zeit. Miranda ist äußerst tüchtig, aber sie hat wenig Selbstvertrauen. Sie braucht da etwas Unterstützung. Solange ich da bin, geht’s ausgezeichnet. Aber sie geriete in Panik, wenn sie plötzlich den Supermarkt Caleb überlassen müßte, um selbst die Postsendungen zu sortieren, die Telegramme aufzugeben und all die blöden Formulare auszufüllen. Sie wird sich daran gewöhnen, wenn ich ihr helfe und die Dinge von der heiteren Seite nehme. Für sie allein wäre der Anfang zu schwer. Wenn ich weggehe, möchte ich, daß für Tantchen alles gut geregelt ist und wie am Schnürchen läuft. In den nächsten Monaten will ich mich kräftig ins Zeug legen, und vier Wochen vor der Hochzeit machen wir dann einen großen Einkaufsbummel. Daddy wird mir einen saftigen Scheck zustecken; darauf werde ich bestehen, und er tut das auch gern. Und dann fahren wir in die Stadt, du, Susan, Larry und ich. Wir wohnen in einem Motel und kaufen viele, viele Kleider, die ich später auf der Farm vermutlich nie anziehe. Länger als eine Woche könntest du wohl nicht verreisen, deshalb machen wir das Anfang August, ehe die Schafe lammen. Und dann setzen wir uns hin und warten mit gefalteten Händen auf den großen Tag.« Sie schien wahrhaftig zu glauben, daß sie alles bestens geordnet habe.
Die Hauptsache war, sie in der Meinung zu lassen, es ginge alles so einfach, wie es sich anhörte. Tatsächlich lagen mühevolle Monate vor mir: Das Haus mußte renoviert, der Garten tadellos hergerichtet werden; ich mußte ein Verzeichnis der Gäste anlegen, in der schwachen Hoffnung, daß sich die Anzahl etwas verringern ließe — kurz, unzählige Aufgaben waren zu erledigen, wie es nun einmal die Pflicht einer Brautmutter vor einer großen Hochzeit ist.
»Und dabei
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