Fremde Gäste
Macht über ein unlenksames Pferd zu beweisen. Denn obgleich wir uns im Zeitalter der Technik befinden, gibt es immer noch erstaunlich viele Reiter bei uns. Das Motorrad gewinnt auf dem Lande an Beliebtheit — sogar der konservative Colonel hatte eines für seine Leute angeschafft — aber in dem unwegsamen, steilen Gelände benutzen die Männer lieber ein Pferd.
Der Colonel war ein bekannter Pferdeliebhaber, und diese Eigenschaft hatte das Verhältnis zwischen ihm und Larry aus offenem Kampf in eine herzliche Freundschaft verwandelt. Auf Grund seiner Erfolge mit den Pferden stimmte der Colonel in die allgemeine Begeisterung über Davids Zauberkraft ein. Man hätte wahrhaftig meinen können, der alte Herr habe selbst diese Gabe in dem jungen Mann auf der Straße erkannt und ihn mitgenommen, um diese Kräfte vorzuzeigen.
Und das tat er nun auch. Ich glaube, jedem Besucher — und es kamen deren viele — wurde von diesem seltsamen Burschen erzählt. »Man sollte meinen, daß er mit Tieren überhaupt nicht umgehen kann. Dabei reitet er meine bockigsten Gäule. Er schlendert einfach an so einen Wildfang heran und klopft ihm aufs Hinterteil! Wollen mal sehen, ob wir ihn finden, dann kann er Ihnen zeigen, was er mit einem wilden Fohlen anstellt.«
Anfangs war David leicht zu finden und tat, allerdings ziemlich mürrisch, was man von ihm verlangte. Nachdem er aber einmal richtig ausfallend zu einem Bankdirektor geworden war, wurde es schwieriger, ihn aufzuspüren. Er hatte Justin, der die Farm seines Vetters verwaltete, gebeten, ihm einen Arbeitsplatz »außerhalb der Reichweite des alten Knackers« anzuweisen. Der verständnisvolle Justin tat das auch. Schließlich protestierte der Colonel. »Hatte heute den Chef unserer Viehhändlerfirma hier. Sie vermitteln viele Verkäufe von unseren Vollblütern. Ich wollte ihm zeigen, wie Sie mit den Pferden umgehen, konnte Sie aber nicht finden.«
»Ich hatte einen Zaun in der oberen Koppel zu richten.«
»Das brauchen Sie doch nicht zu machen. Es gibt genug Arbeit beim Haus. Da können Sie den Stadtfräcken zeigen, wie man einen Gaul behandeln muß.«
»Bedaure. Ich mag den Stadtleuten nichts zeigen. Ich mag nicht ausgestellt werden wie das Zweizentnerweib auf dem Jahrmarkt«, sagte David grob. Dann nahm er sich zusammen und sagte: »Tut mir leid, daß ich so widerborstig bin, Sir, aber das mit den Pferden ist meine Privatsache. Kein Grund zur Großtuerei. Der Trick ist mir vermutlich angeboren wie irgendeine andere Eigenschaft. Ich mag nicht, daß endlos drüber gequatscht wird.«
»Ich verstehe«, sagte der Colonel großzügig, denn er verstand es überhaupt nicht. »Der Umgang mit den Gäulen gehört zu Ihren Geheimnissen, und das soll so bleiben. Tut mir leid, mein Sohn, daß ich so langsam kapiere. Die Sache ist für mich eben doch ein Wunder«, und er brummelte weiter über Davids Kunststücke. Da aber der düstere Ausdruck im Gesicht des jungen Mannes nicht weichen wollte, setzte er hinzu: »Sie haben völlig recht. Keine Schaustellerei mehr. Aber wenn einer in der Klemme ist, dem werden Sie doch helfen, nicht wahr? Schließlich ist’s ja eine Gottesgabe!«
David sah aus, als ob es eher ein Fluch als eine Gnade sei, entgegnete jedoch höflich, er wolle niemals ein Geschäft daraus machen. Er werde aber jedem beistehen, der Hilfe brauche. Fürs erste wolle er weiter als Farmhelfer arbeiten. Daraufhin riß der Colonel die Augen weit auf und stammelte: »Mein Gott! Diese jungen Leute...«
Und dabei blieb es.
5
Das Leben schien wieder seinen gewohnten Gang zu gehen; unsere Tramper hatten sich recht gut eingewöhnt. Über Tom äußerte sich Sam sehr wohlwollend. »Ein braver Kerl. Ein bißchen langsam, aber zuverlässig. Er tut nicht so, als ob er alles gleich beim erstenmal kapierte. Er sagt ganz freundlich: >Wenn Sie’s noch mal wiederholen, Mr. Lee, dann hab’ ich’s gefressen.< Ganz anders als die meisten Burschen, die alles besser wissen.«
Als ich mich noch weiter erkundigte, setzte Sam hinzu: »Er macht sich wirklich nützlich; er ist gerade das, was ich im Augenblick brauche. Zuverlässig und gutwillig, das gefällt mir. Und seinem komischen Hund sehr zugetan, das gefällt Larry.«
Der Colonel sah David jetzt nicht mehr so oft, und das war gut so. Ich hatte Bedenken, daß der junge Mann sonst früher oder später gegen diese Feudalherrenart aufmucken würde, die wir lachend hinnahmen. Justin gab David seine Anordnungen; er hatte genügend
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