Fremde Gäste
Erfahrung mit der modernen Jugend, um geschickt mit ihm umzugehen. Der Colonel bedauerte noch immer, daß David seine magische Gewalt über die Pferde nicht zur Schau stellen mochte; Justin aber verstand seine Zurückhaltung und gab ihm Gelegenheit, sich mit den verschiedenen Pferden auf der Farm zu beschäftigen. Der Colonel bestand darauf, einige »nützliche Gäule« zu halten, zu welchem Zweck, wußte niemand. Aber Justin deichselte alles taktvoll und ohne das auszunutzen, was er für eine stille Besessenheit des jungen Mannes hielt.
»Im ganzen haben Sie recht daran getan, den Burschen mitzunehmen, Susan, obwohl es sehr leichtsinnig war. Larry wollte Sie ja noch übertreffen, indem sie auch noch einen Hund mitbrachte. Im Grunde sind die beiden Kerls doch ein Gewinn für uns hier.«
Als wir eines Tages Tantchen besuchten, meinte diese: »Dein Tom gefällt mir, Larry, obwohl er bei mir den Mund überhaupt nicht auftut. Von David kenne ich nur seine Stimme am Telefon; gesehen habe ich ihn noch nie. Allmählich werde ich richtig neugierig.«
»Seit seine Haare abgeschnitten sind, ist nichts Besonderes an ihm«, sagte ich. »Ein großer, blonder Mensch mit angenehmen Zügen. Er verfügt über beträchtlichen Charme, wenn er danach aufgelegt ist; das kommt aber nicht oft vor. Mirandas Stimme hat einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht, als er ein Telegramm an seine Mutter auf gab.«
Miß Adams seufzte. »Schon wieder ein neuer Verehrer für Miranda! Da er aber sehr wenig Herzenswärme zu besitzen scheint, wird er wohl nichts Dummes anstellen«, setzte sie heiter hinzu.
»Er hat mir erzählt, was er telegrafierte; ich bin überzeugt, daß er inzwischen nicht geschrieben hat«, erwiderte ich. »Er schien der Auffassung, daß nun alles Nötige erledigt sei. Ich weiß ja, daß allerhand Getue dabei ist, aber diese Herzenskälte der jungen Leute beunruhigt mich.«
»Wie wird das sein, wenn Christopher mich eines Tages so behandelt!« mokierte sich Larry und ahmte dabei meine Stimme und meine Art nach. In der Tat hatte ich genau das gedacht. »Nein, Susan, das wird er gewiß nicht tun!« sagte sie gleich. »Ich möchte wetten, daß Davids Mutter so eine Dame der feinen Gesellschaft ist, die vor zwanzig Jahren ein Baby in die Welt gesetzt hat und seitdem diesen Fehler zu vergessen sucht.«
Gerade als ob wir Theater spielten und nun das Stichwort gefallen sei, fuhr in diesem Augenblick ein Auto vor Tantchens Haus vor. Eine große schlanke Dame stieg aus. Sie sah sehr gut aus, war elegant gekleidet, und irgendwie erkannte ich sofort, wer sie war. Einesteils war es die Ähnlichkeit mit David, andernteils dieses Zusammentreffen, das im Leben manchmal vorkommt. Außerdem hatte ich, seit David mir von seinem Telegramm berichtete, irgendein Lebenszeichen von ihr erwartet. Ich glaubte nicht wie Larry, daß sie herzlos sei. Ich dachte, sie sei eher ratlos und verwirrt.
Schon ihre ersten Worte gaben mir recht. Sie wandte sich an
Miß Adams, die ihr entgegengegangen war. »Verzeihen Sie bitte die Störung, aber dieses hier ist doch die Poststelle von Tiri, nicht wahr? Hier hat mein Sohn vor einiger Zeit ein Telegramm an mich aufgegeben. Mein Name ist Diana Hepburn, ich bin Davids Mutter. Kennen Sie ihn, oder können Sie mir sagen, wo ich ihn finden kann?«
Miß Adams zögerte. Sie hält sich eisern an die Vorschriften für Postbeamte. Eine dieser Vorschriften verbietet es, auf eine Anfrage eine Adresse anzugeben. Larry und ich erkannten die Zwickmühle, in der sie sich befand, und legten uns ins Mittel.
»Miß Adams ist hier der Postmeister und darf keine solchen Auskünfte geben«, sagte ich und versuchte dabei, Mrs. Hepburn beruhigend anzulächeln, denn sie sah sehr besorgt aus. »Ich selbst bin nur eine Farmersfrau und brauche mich nicht an die Vorschriften zu halten... Ja, David ist hier. Ich selbst brachte ihn her. Er stand auf der Landstraße und winkte, da habe ich ihn mitgenommen.«
Mrs. Hepburn seufzte tief und erleichtert auf. Im Geist hatte sie sich wohl vorgestellt, daß ihr Sohn sich bei düsteren Gesellen verborgen halte, bei denen er sich gewiß bald daheim fühlen würde.
»Sie — Sie nahmen ihn mit? Der schreckliche Junge war wohl wieder mal beim Trampen? Warum er das nur tut? Er hat genug Geld, um die Fahrtkosten zu bezahlen; außerdem hat er daheim ein ausgezeichnetes Motorrad stehen. Ich hätte ihn ja auch selbst hierherfahren können.«
Was konnte ich da sagen? Wie sollte ich ihr erklären, daß ihr
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