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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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schenkten ihm zum Geburtstag ein anderes Pferd — das hat er nie geritten. In dieser Hinsicht ist er uns ganz unverständlich.«
    Larry ging der Sache auf den Grund. »Aber was geschah mit dem Pony? Haben Sie es verkauft?«
    »Das mußten wir ja. In der Großstadt kann man höchstens ein Pferd halten, und das ist schon schwierig genug. Was sollten wir auch damit anfangen, da es doch so klein war? Wir fanden eine gute Bleibe für das Tier, und die Dame sagte, David könne es besuchen, sooft er wolle. Aber er ist nie hingegangen und weigerte sich beharrlich, das andere schöne Pferd zu besteigen. Es war viel wertvoller als das erste, ein feuriges Vollblut. Wir hatten erwartet, daß unser Sohn begeistert wäre, aber er sagte nur: >Das neue könnt ihr auch verkaufen; ich brauche es nicht.< Und dabei blieb es.«
    »So war das also«, sagte Larry nachdenklich. »Er hatte sich geschworen, niemals ein anderes Pferd zu heben. Armer David!«
    »Sie glauben, ihn zu verstehen«, meinte Mrs. Hepburn unsicher. »Wir konnten das nicht verstehen. Mein Mann war ganz außer sich. >Was wir auch für den Jungen tun, immer ist es falsch!< sagte er. So war es jedesmal. Er hätte Medizin studieren können, denn er war ein begabter Schüler und bekam diverse Preise, aber er wollte nicht Arzt werden. Nur weil er merkte, wie bekümmert wir waren, war er bereit, einige Semester Naturwissenschaft zu studieren — das war wenigstens ein erster Schritt. Jetzt, da er dieses Examen bestanden hat, läuft er davon... Verzeihen Sie, daß ich Sie mit all meinem Kummer belaste! Aber die Jugend von heute ist wirklich schwer zu begreifen. Was will David eigentlich?«
    Sie blickte Larry an, als ob diese die Antwort wüßte. »Ich weiß es auch nicht«, antwortete Larry. »Mich mag er nicht besonders. Wenn er sich bei jemandem ausspricht, so ist es Susan. Es muß schon schlimm sein, wenn die Kinder erwachsen werden.«
    »Das will ich meinen, vor allem, wenn man nur ein einziges Kind hat!« bekräftigte Mrs. Hepburn eifrig.
    »Wenn ich als alte Jungfer dazu etwas sagen darf«, schaltete Tantchen sich ein, »ich glaube, daß die modernen jungen Leute alles mögliche versuchen möchten, bis sie wissen, was sie wirklich wollen. Ich habe deinen David bisher noch nicht kennengelernt, aber ist er denn wirklich soviel wankelmütiger als die meisten Jungen? Vielleicht ist er sogar klarer in seinen Entschlüssen als viele. Obendrein hat er auch noch verständnisvolle Eltern. Solche Menschen finden gewöhnlich rasch ihren Weg.« Und sie schlürfte ihren Tee mit der kritischen Miene, die sie stets aufsetzt, wenn wir ihn zubereitet haben.
    Die Unterhaltung ging mehr ins allgemeine, und schließlich sagte Mrs. Hepburn zögernd: »Liebe Lavinia, es ist ja herrlich hier, aber...«
    »Bitte, nenne mich nicht so! Seit Jahren habe ich diesen Namen verschwiegen. Wer mich hier nicht >Tantchen< nennt, würde höchstens >Anna< zu mir sagen, wie sie mich zu Hause riefen. Aber wenn ich mir das so recht überlege — niemand hier redet mich mit meinem Vornamen an. Immer heißt es >Tantchen< oder korrekt >Miß Adams<. So der Colonel, der mich kennt, seit ich hierherkam. Der würde sich aber lieber umbringen, als sich eine Vertraulichkeit zu gestatten.«
    »Und bei dem arbeitet David? Da kann ich nur hoffen, daß er einen so formellen Herrn nicht beleidigt. Korrekte Umgangsformen sind für meinen Sohn ein rotes Tuch.«
    »Ich glaube, für die meisten Söhne«, suchte ich sie zu trösten, ehe wir ihr gestanden, daß David nicht im Haus des Colonels wohnte, sondern bei den Arbeitern. Ich mußte ihr das jetzt gleich beibringen, denn sie wollte doch ihren Sohn treffen. Doch Mrs. Hepburn überstand diesen Schock ganz gut. Sie sagte nur, David sei ein geselliger Mensch. Er habe von jeher an seiner Familie bemeckert, daß man sich nur in den eigenen Kreisen bewegte. Nun könne er ja seine Anpassungsfähigkeit beweisen.
    »Es ist gleich fünf Uhr«, bemerkte Miß Adams. »Du könntest deinen Sohn in wenigen Minuten treffen, wenn er von der Arbeit heimkommt.«
    »Ich dachte, die Farmer hätten keine feste Arbeitszeit! Arbeiten sie nicht von Tagesanbruch bis zur Dunkelheit? Deshalb dachten wir, daß ihm ein solches Leben nicht zusagen würde. Wir glaubten, daß jeder, der hier einen Job nimmt, ziemlich ausgenutzt wird.«
    Wir mußten lachen. »Da seid ihr aber wirklich hinter der modernen Zeit zurück!« stellte Tantchen fest. »Farmhelfer sind heutzutage viel zu rar, als daß ihre Arbeitgeber

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