Fremde Gäste
Wagenbesitzer haben ihn nicht in die Besserungsanstalt gesteckt. Die Sache lag in den Händen der Polizei.«
»Ach, ich finde immer, die Polizei macht zuviel Wirbel um anderer Leute Angelegenheiten. Trotzdem muß ich sagen, daß der junge Polizist neulich mächtig nett war, als ich dein Auto ausgeliehen und den weißen Strich auf der Fahrbahn nicht bemerkt hatte.«
Miranda sagte natürlich nicht viel. Sie seufzte nur und meinte: »Der arme Tom! Jetzt werden die Leute noch und noch klatschen!« Sie wußte, was das hieß, denn als ihr Vater noch lebte und viel Wirbel machte, hatte ihre Mutter sehr unter dem Gerede in dem kleinen Ort zu leiden gehabt. »Morgen abend ist der Ball, Tony«, sagte sie. »Wir wollen Tom einladen, und dann können wir den Leuten zeigen, daß wir uns nicht darum kümmern.« Und das taten sie dann auch.
In Wirklichkeit machten sie soviel Aufhebens um Tom, sie tanzten so häufig und auffällig mit ihm, daß sie erst recht die Aufmerksamkeit auf ihn und seine Schwierigkeiten lenkten. David war auch mitgekommen und stand zusammen mit Tom im Licht dieser plötzlichen Popularität. Während das eine Mädchen mit Tom tanzte, drehte sich das andere, oder Beth oder Trix, vor dem sich zurückhaltenden David. Daß dieser von Anfang an zu Tom hielt, muß nicht extra erwähnt werden.
Diese Sympathiebeweise führten leider dazu, daß David sich über die Angelegenheit lustig machte. Was bedeutete denn schon so eine Zeit in der Besserungsanstalt? Das hatte doch nichts zu sagen! Die Hälfte seiner Freunde war berechtigt, einen »Sträflingsanzug« zu tragen. Sie hatten über ihre »Dinger« gelacht. In Wahrheit hatten einige sogar mit der Niederschrift ihrer Erlebnisse in einer solchen Anstalt ein schönes Geld verdient. Und wer klaute denn nie ein Auto? Kurz ehe er aus der Stadt losgezogen war, hatte er sich um Mitternacht etwa fünf Kilometer von jeglicher menschlicher Behausung entfernt »eines unverschlossenen Autos bedient«. Dem Besitzer geschah ganz recht: hätte er besser auf seinen Wagen aufgepaßt!
Die Sympathiekundgebung Davids war für Tom nicht sehr günstig. Die Haltung der beiden anderen jungen Männer war entschieden vernünftiger. Sie ignorierten die Sache und verhielten sich wie zuvor.
Aber all das munterte Tom wenigstens auf. Anfangs war er äußerst niedergeschlagen. Er hatte sogar seinen Rucksack gepackt und wollte in aller Stille auf und davon, aber Larry hatte ihn noch erwischt. Und während sie ihn tüchtig ausschalt, packte sie alles wieder aus.
»Ich glaube, meine gepfefferte Strafpredigt tat ihm gut! Dann kam auch noch David auf dem Mofa des Colonels fröhlich und übermütig angefahren. In diesem Moment hatte ich den Kerl direkt gern. Er brachte mich zum Lachen, und sogar Tom mußte grinsen und packte die Hundedecke und die Leine wieder aus. Irgendwie rang David ihm das Versprechen ab, zu der Tanzerei zu kommen, und was da los war, hast du wohl gehört.«
Jawohl, davon hatte ich gehört. Diese kleinen Tanzvergnügen waren zu einem Teil unseres Lebens in Tiri geworden. Organisiert hatte sie der »gesellige Klub«, der wie in vielen abgelegenen Gegenden gegründet worden war, »um die Leute ein wenig zusammenzubringen«. Jeden zweiten Samstag gab es nicht nur einen kleinen Ball, sondern oft sogar einen Spielabend. Da fühlten sich auch die Älteren verpflichtet zu kommen, die Männer mit 50-Penny-Stücken als Eintrittsgeld bewaffnet, die Frauen leider(!) mit einer Platte. Mit anderen Worten — wir stifteten Sandwiches und Kuchen zum Abendessen nach den Kartenspielen. Einmal im Monat kamen so die Älteren und die Jungen wechselweise an die Reihe. Bei der nächsten Party war kein Kartenspiel angesetzt, deshalb waren meist junge Leute vertreten. Die Kartenabende waren eine echte Prüfung, sozusagen ein »Probierabend«, wie Paul es zu nennen pflegte. Ich selbst nannte gerechterweise die Sache beim Namen: Es handelte sich um ein Verspeisen von gräßlichen Kuchen, die nie so gut gelingen wie die von Mrs. Elder.
Wenn die Älteren nicht kamen, wurden die Platten von den jungen Mädchen hergerichtet. Tony gab sich keine Mühe; sie kaufte ihre Sachen im Supermarkt und machte auch keinen Hehl daraus. Miranda war eine vorzügliche Köchin und buk Törtchen und leckere Kuchen, die auf der Zunge zergingen.
An dem Samstag nach den Enthüllungen über Toms Vorleben war kein Kartenspiel angesetzt; darum sollten nur junge Leute zusammenkommen. Es war nur ein Tanzvergnügen, und das
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