Fremde Gäste
einfach, oder?«
Ich wußte, daß sie an die Kosten dachte; sie war aber zu diskret, um das deutlich auszusprechen. Mit Tantchen kann man immer offen reden in dem seltenen Bewußtsein, daß alle Geständnisse in einen tiefen Brunnen fallen. Deshalb gestand ich ihr: »Das alles bedeutet natürlich eine gewaltige Ausgabe. Auch das regt mich auf. Ich wünschte, Paul würde in dieser Hinsicht vernünftiger sein, aber das scheint aussichtslos. Alistair schrieb uns einen sehr netten Brief und fügte einen noblen Scheck bei. Das hätte die Angelegenheit sehr vereinfacht; aber Paul war zu stolz, um ihn anzunehmen, und sandte ihn zurück. Er sagte, Alistair hätte niemals eine echte Verantwortung für Tony übernommen, hätte sich nur um sie gekümmert, wenn es ihm gerade in den Kram paßte. Nun will Paul nicht, daß er sich plötzlich in Szene setzt und die ganze Geschichte in die Hand nimmt — als wenn Alistair das wollte! Aber Sie wissen ja, wie wenig Zweck es hat, mit Paul zu streiten, wenn er einmal einen Entschluß gefaßt hat. Deswegen gab ich’s auf. Aber dann und wann träume ich voll Sehnsucht von dem Scheck. Ich weiß ja, daß Paul das alles nicht bezahlen kann. Die Lieferanten verlangen eine Unmenge, dann der Alkohol, und überhaupt das ganze Drum und Dran!«
Mir versagte schier die Stimme vor lauter Trübsal, und darüber mußten wir beide lachen. »Na ja, es ist ja noch nicht September«, meinte Tantchen. »Da wollen wir uns noch nicht heute allzu viele Gedanken machen. Bis dahin kann viel geschehen. Obwohl nicht anzunehmen ist, daß Tony ihren Sinn ändert, was Peter angeht. Es wäre ein echter Schlag für uns, wenn ihr das einfiele.«
»Nein, Gott sei Dank, das ist nicht zu befürchten. Sie hat schließlich doch den Richtigen gefunden. Sie ist zur Vernunft gekommen, wie Paul sich ausdrückt. Und lieber will ich gleich zweimal so eine gräßliche Riesenhochzeit ausrichten, als daß Tony ihr wahres Glück versäumt.«
Das kam gewiß nicht in Frage. Meine stürmische Nichte war völlig verändert. Die wahre Liebe hatte vollbracht, was keiner der zahlreichen Flirts erreicht hatte. Sie war überglücklich und verbrachte einen Teil ihrer Zeit an den Wochenenden damit, Peter bei seinem Ritt über die Viehkoppeln zu begleiten und bei der Versorgung der Mutterstuten zu helfen. Da Jock in Schottland war und der Colonel noch immer David so gegen alle Abmachung festhielt, hatte Peter viel Arbeit. Es überraschte mich daher nicht, daß Tony eines Tages ankündigte, sie werde David aus seinem bequemen Job loseisen und ihm zur Abwechslung eine richtige Arbeit verschaffen! Er sollte nicht soviel herumlungern und nur gelegentlich mal das eine oder andere Pferd dressieren. »Ich glaube, der Colonel hat ganz vergessen, daß er ihn nur für zwei bis drei Monate angestellt hat. Jetzt will ich ihn mal daran erinnern.«
»Das wird nicht so einfach sein.«
»Das weiß ich, aber es hat keinen Sinn, die Sache hängenzulassen. Ich werde ihn heute nachmittag besuchen. Du mußt mitkommen, um mir den Rücken zu stärken. Du weißt genau, wie nötig Peter Hilfe braucht, nachdem Jock fort ist.«
Ich willigte ein. Hauptsächlich aus dem Grund, weil ich gern einmal heraus wollte, um wenigstens für ein kleines Weilchen von meinen Hochzeitssorgen loszukommen. Tony hätte den Colonel auch ohne meine Hilfe überreden können; schließlich konnte er sie sehr gut leiden. Die Sache wurde noch dadurch erleichtert, daß der alte Herr nicht zu Hause, sondern bei Anne war. Er würde sich über unseren Besuch sehr freuen, und wir sollten nur ja die Kinder mitbringen.
Unsere Großen waren zum Wochenende daheim, und die Freude war allgemein. Nichts machte ihnen mehr Spaß als so ein Nachmittag bei Anne, wo sie tüchtig verwöhnt wurden. Da es für meine Kinder undenkbar war, irgend etwas ohne Larrys Sprößlinge zu unternehmen, fuhren wir mit vier lebhaften Kindern auf den Rücksitzen los. Ich selbst saß mit der bildhübschen und zu allem entschlossenen Tony vorn.
Annes Haus ist bezaubernd. Es ist nicht groß, aber der Colonel hatte seinen unabhängigen Schwiegersohn allmählich dazu gebracht, ein paar kleine Räume anzubauen; das gab der ganzen Wohnung mehr Freizügigkeit. Anne kam aus dem Haus, um uns zu begrüßen. Sie sah so jung und liebreizend aus wie immer. An jeder Hand hielt sie einen der Zwillinge. Im Hintergrund sah man den kleinen Gerald, der jede hilfreiche Hand abgelehnt hatte, sich an Großvaters Hosenbein festhielt und so auf
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