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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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wußte ich genau, daß sie am Nachmittag, als ich Geld für eine wohltätige Sammlung herausnahm, noch in der Börse gewesen waren. Am Abend zuvor war eine Probe des Theaterstückes mit allen jungen Leuten bei uns gewesen.
    Ich schob diese Gedanken energisch von mir, aber kurz danach ertappte ich mich, wie ich im Geist die einzelnen Leute durchging und mir überlegte, wo ich sie gesehen hatte. Die Antwort war einfach: Es waren eben alle überall gewesen. Auch Larry und Sam hatten hereingeschaut. Und Anne war gekommen, um zu sagen, daß die nächste Probe nicht in ihrem, sondern im Haus ihres Vaters sein solle. Ebenso war Peter erschienen, um bei der ausgelassenen Gesellschaft Regie zu führen. Kurzum — alle waren bei uns gewesen, und alle hatten sich überall aufgehalten.
    Bei diesem Punkt beschloß ich, überhaupt nicht mehr an die Angelegenheit zu denken. Es mußte ja eine simple Erklärung geben. Vielleicht hatte Paul Geld wechseln wollen. Aber mein lieber Mann hatte eine unüberwindliche Abneigung, eine Damenhandtasche zu öffnen, und sei es auch die meine. Wäre es trotzdem notwendig gewesen, wäre er sofort zu mir gekommen, um sich überflüssigerweise zu entschuldigen. Die Hoffnung, daß so etwas geschehen war, war also Essig.
    Das einzige, was ich tun konnte, war, alles zu vergessen und nicht einmal Paul etwas davon zu erzählen. Ich mußte einfach so tun, als ob ich in einem seltsamen Versehen das Geld für mich verbraucht hätte.
    Der Entschluß war leicht gefaßt, aber die Sache beunruhigte mich doch. Eine Woche später nach einer weiteren Probe im Haus des Colonels tauchte das Rätsel wieder und noch viel peinlicher auf. Da sagte nämlich Anne zu mir: »Susan, ich muß dir im Vertrauen etwas erzählen. Bitte, sag es keinem, auch nicht Paul. Es ist etwas Unangenehmes passiert. Meinem Vater ist am Wochenende eine ziemliche Menge Geld abhanden gekommen; er weiß nicht genau, wieviel. Als er nach Hause gekommen war, hatte er sich umgezogen, seine Taschen ausgeleert und alles auf den Schreibtisch neben seiner Zimmertür gelegt. Er hatte in der Stadt einen Scheck eingelöst, und es müssen etwa dreißig bis vierzig Dollar gewesen sein. Erst am Sonntagmorgen fiel es ihm wieder ein. Er kam zu uns herüber und fragte mich, ob ich mir das erklären könnte. Das konnte ich natürlich nicht. Ich fürchte, es ist gestohlen worden — sicherlich von jemandem Fremden; aber es ist so fatal, weil alle jungen Leute an dem Abend in seinem Haus waren.«
    Mir wurde das Herz schwer. »Hat er die Polizei benachrichtigt?« fragte ich.
    »Nein, das will er auch nicht. Die gehen der Sache auf den Grund und fragen, wer im Haus war; und es waren ja alle da und - und — Susan, wir können nicht zur Polizei gehen, denn die denken natürlich, Tom sei’s gewesen. Aber er war’s bestimmt nicht.«
    Ich beschloß, Anne zu erzählen, daß mir eine Woche zuvor gleichfalls Geld abhanden gekommen war und gerade in der Zeit, wo sich die jungen Leute überall in unserem Haus aufhielten. David hatte ich getroffen, als er nach einem Holzlöffel an Stelle eines Lorgnons suchte, und Joe hatte ein Tablett aus Zinn genommen, das als silberner Präsentierteller dienen sollte. Als ich Anne von alledem berichtete, wurde sie sehr ernst und sagte; »Das bedeutet doch, daß ein Außenseiter nicht in Frage kommt! Ach Gott, Susan, was sollen wir nur machen?«
    Wir kamen zu dem Entschluß, gar nichts zu unternehmen. Wir wollten dem Colonel von meinem Verlust erzählen, im übrigen niemanden einweihen, nicht einmal unsere Männer. Anne hatte mit Widerstreben ihren Vater gebeten, Tim nichts zu sagen, und ich hatte es schon bisher fertiggebracht, mein schlimmes Geheimnis vor Paul zu verbergen.
    Wir überlegten, daß es ja auch ein unglückliches Zusammentreffen sein konnte. Derselbe Mann konnte an beiden Häusern vorbeigekommen sein; er hatte das große Durcheinander genutzt, war eingedrungen und hatte alles mitgenommen, was er finden konnte. Aber wer sollte das gewesen sein? Wir hatten keine verdächtigen Typen in unserer Gegend, keinen mit einer einschlägigen Vergangenheit, außer Tom.
    »In Daddys Fall war’s noch ein Glück, daß nur Geld verschwand; er hat so viele wertvolle Dinge, und du ja auch, Susan«, meinte Anne schließlich ganz treuherzig. Das stimmte, denn es gab schon ein paar Habseligkeiten, die ich nur sehr ungern vermißt hätte. Aber zwanzig Dollar waren für mich auch eine Menge Geld, und im stillen hoffte ich gegen besseres Wissen noch

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