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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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schon eine plausible Erklärung ausdenken, um so spät in der Nacht noch allein auszugehen. Ich knipste meine Taschenlampe wieder an und sah auf die Uhr. Es war kurz vor zehn Uhr; beinahe drei Stunden hatten wir in diesen gräßlichen Schränken gelauert. Ich wollte noch bis zehn Uhr warten und dann Larry holen und mit ihr zu ihrem Haus gehen. Unser Plan war mißlungen und alle Hoffnung umsonst.
    Gerade als ich zu diesem betrüblichen Schluß gekommen war, hörte ich ein Geräusch. War auch Larry des Wartens müde? Nein, das war nicht ihr leichter, schneller Schritt! Das war ein Mann, der zwar vorsichtshalber seine Schuhe ausgezogen hatte und nur leise auftrat, aber ich erkannte mit Sicherheit, daß sich da ein Mann näherte, und für einen kurzen Augenblick war ich ungeheuer erleichtert. Aber nur kurze Zeit. In Wahrheit hatte ich nie geglaubt, daß es ein Mädchen war. Doch wer war es? Mein Herz pochte, ich spähte durch den Türspalt nach einem Lebenszeichen aus der Küche.
    Und da war es auch schon: Das Flackern einer Taschenlampe, ein behutsames Umhertasten, dann wieder Stille. Ich dachte: Jetzt hat er das Geld für die Lepra-Stiftung entdeckt! Wird er es nehmen oder weitergehen und zuerst hier herumsuchen?
    Ich fröstelte vor Nervosität und Aufregung. Noch immer sah ich den gleichmäßigen Schein der Taschenlampe in der Küche. Von Larry kein Laut. Mir kam der närrische Gedanke, sie sei womöglich eingeschlafen. So war also ich an der Reihe!
    Leise glitt ich aus meinem Schrank — da drang ein greller Lichtschein aus der Küche. Selbstverständlich war Larry nicht eingeschlafen. Sie hatte bis zum letzten Moment gewartet und dann das große Licht angedreht. Ich hörte ihre Stimme; vor Erregung bebend rief sie schrill und ungläubig; Sie sind das! Sie!!«
    Das war alles. Ich zögerte feige. Ich fürchtete mich vor dem Anblick, der sich mir bieten würde. Wer stand dort mit dem Geld in der Hand, auf frischer Tat ertappt? Plötzlich wollte ich es gar nicht mehr wissen. Im Geiste standen die vier netten Männer vor mir. Einer von ihnen mußte es sein. Ja, sogar David... Und dann rannte ich in die strahlend helle Küche.
    Mit dem Rücken zur anderen Tür stand im vollen Licht Larry; ihre Wangen glühten vor Empörung. Am Tisch, den Geldschein in der Hand — die Taschenlampe war ihm entglitten stand mit einem von Furcht und Wut entstellten Gesicht Graham Ford.
     

10
     
    Wenn wir später an diese Nacht zurückdachten, kam es uns so vor, als ob da kein Wort gesprochen worden sei. Natürlich blieb Graham nichts zu sagen; er war bei dem Diebstahl ertappt worden, und es hatte keinen Sinn, etwas zu leugnen. Der Gedanke an die Polizei bedrückte Larry und mich sehr, aber wir sagten nichts davon. Im Nu hatte Graham sich davongemacht. In der Garage stand unser Wagen, denn Paul und Sam waren mit Tim gefahren. Ich holte ihn heraus, und wir fuhren zu Larry — viel zu erregt, um miteinander zu sprechen.
    Aber wir konnten nicht einschlafen. Schließlich gaben wir es auf; wir gingen in die Küche und kochten uns eine Tasse Tee. Wir tranken schweigend. Niedergeschlagen rauchten wir eine Zigarette; endlich meinte Larry: »Jedenfalls war es nicht Tom! Gott sei Dank! Aber dieser nette Graham... Er soll doch so ein tüchtiger Farmer sein; alle Männer mögen ihn gern.«
    »Das ist wahr. Es scheint unfaßbar. Aber wenn man’s recht überlegt: Wenn wir Trix und Beth ausnehmen und natürlich auch Tony und Miranda — denn die zogen wir doch nur scheinbar in Betracht-, wenn wir die alle auslassen, wer bleibt dann übrig? David käme in Betracht, denn der könnte es just für einen Schabernack halten, aber er würde doch keinen anderen in Verdacht bringen. Ferner Joe, den wir schon kannten, als er noch ein Schuljunge war, und der vermutlich Miranda heiraten will. Weiter Tom, der wohl, und zwar zu Unrecht, verdächtig schien, und schließlich Graham Ford. Den kennen wir am wenigsten, und obgleich wir so viel Gutes über ihn gehört haben, kann doch diese Neigung in seinem Charakter liegen.«
    Wir beschlossen dann, am nächsten Morgen den Colonel aufzusuchen und die ganze Sache in seine Hand zu legen. Wir hofften inständig, daß er die Polizei nicht einschalten würde. Wir wollten seiner Auffassung von Recht und Ordnung unsere verzweifelte Gegenwehr und all unsere weibliche List entgegensetzen. Freilich, wenn er nicht nachgeben und es zu einem Prozeß kommen würde, mußten wir als Zeugen auftreten. Schon bei dem Gedanken daran

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