Fremde Gäste
hat sie Joe schon immer liebgehabt?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke schon, daß es ihr von jeher um Joe ging. Er hat einen vorzüglichen Charakter, und sie wollte schon immer einen heiraten, der ein paar Tropfen Maoriblut hat. Sie ist auf ihres unbändig stolz; das kann sie auch, denn ihre Mutter ist eine echte Maori.« Und Tony erging sich in Lobpreisungen über die stille, zurückhaltende Frau, und Graham war samt seinem Geheimnis vergessen.
Ich glaube nicht, daß einer von der jungen Gesellschaft die volle Wahrheit ahnte; sie alle wußten jedoch, daß wir »Alten« eine feste Front des Schweigens bildeten, die sie respektieren mußten.
Nur David war eine Ausnahme. Er wußte ja von den Diebstählen. Ich konnte nicht widerstehen und erzählte ihm, was ich von ihm dachte: Wenn er, David, der Dieb gewesen wäre, hätte er bestimmt behauptet, er sei ein armes Opferlamm.
Er lachte zustimmend. »Das hätte ich sicherlich gesagt. Aber ich bin doch verdammt froh, daß Sie nicht weitere Konsequenzen gezogen und die Angelegenheit noch mehr aufgebauscht haben. Der arme Teufel hat genug verloren — seine Stellung, seine Freunde und seine Angebetete.«
»Über ihn selbst scheinen Sie nicht sonderlich empört zu sein, David.«
»Warum auch? So etwas geschieht alle Tage, und nur die wenigsten werden erwischt. Der arme Kerl steckte tief in Schulden, und da sah er Ihr Portemonnaie, Susan. Wirklich, im Grunde sind Sie der Bösewicht!«
»Das weiß ich selbst, aber keiner außer Ihnen hat mir das vorgeworfen. Letzten Endes ist das ja auch Unsinn. Wenn es nicht meine Börse gewesen wäre, dann die eines anderen. Meine war eben zufällig die erste.«
»Und Sie gehören zu den Edelmütigen, die keinen großen Wirbel machen wollen. Sie taten das auch nicht, und so ging es eben weiter. Mir tut es leid, daß er weggeht. Keiner von uns wird Lust haben, sich noch mit dem Theaterstück abzugeben; für ihn aber ist’s wirklich schlimm.«
»Und an unsere Aufregungen denken Sie gar nicht und daran, daß er es auf Tom schieben wollte?«
»Ich glaube nicht, daß er diese Absicht hatte. Er ist unvernünftig, aber nicht boshaft. Und wer dennoch meinte, Tom sei es gewesen, der ist ein Dummkopf.«
»Vielen Dank. Es war eine abscheuliche Zeit. Ich bin froh, daß sie vorbei ist.«
»Jawohl, und nun wollen wir’s gut sein lassen. Es gibt eine neue Aufregung, aber eine harmlose. Nein, nein, ich verrate nichts. Das ist Peters Angelegenheit. Aber es ist etwas Gutes, Sie brauchen also kein so ängstliches Gesicht zu machen. Jetzt, wo die Diebstahlsaffäre beendet ist, sind Sie ganz frei und können sich mit den Sorgen um Tonys Hochzeit befassen.«
Er war wirklich ein schrecklicher Kerl und trotzdem viel verständnisvoller als irgendeiner aus meiner Umgebung!
Es war wahrhaftig eine gute Nachricht. Peter war in Tiri gewesen, um es Tony zu erzählen, und schaute auf dem Heimweg noch bei uns herein. »Ich will euch nicht auf die Folter spannen... Meine gute Neuigkeit erfuhr ich durch einen Brief — oder besser gesagt durch eine Postkarte von Jock, die gestern ankam. Er schreibt: >Ich bringe eine Frau mit! Jean ist ein tüchtiges Mädel, hat keine Angst vor harter Arbeit. Sie wird Ihnen gefallen. Die Hütte für die Schafscherer reicht uns für den Anfang, später können wir sie noch ein bißchen herrichten.< Na, was sagt ihr dazu? Jock hat doch immer behauptet, er halte nichts vom Heiraten, und war tagelang richtig deprimiert, als Tony und ich uns verlobten... Nun seht mir doch den alten Schlaufuchs an! In einer Woche wird das junge Paar hier sein. Ich freue mich mächtig darüber, aber ich war doch einfach platt.«
»Wird denn die Hütte gut genug sein?«
»Natürlich nicht. Ich bestelle ein kleines Fertighaus, und bis das aufgestellt ist, werden sie schon ’rumkommen. Was mir am besten gefällt, ist, daß Jean, wie sie auch sonst sein mag, sich nicht vor der groben Arbeit fürchtet. Da kann sie einmal in der Woche zu Tony kommen und ihr einen Teil der Plackerei mit der Hausarbeit abnehmen. Ich hatte schon versucht, jemand zu bekommen, aber wer mag denn heute noch solch eine Beschäftigung?«
»Da bin ich aber froh, Peter! Und Tony wird erst recht begeistert sein, denn ich glaube nicht, daß sie auf die Dauer mit dem Beruf einer Hausfrau zufrieden sein wird. Sie wird bestimmt viel lieber mit dir zu Pferd unterwegs sein.«
»Das wäre mir auch lieber. Jetzt muß ich alle Tage bei der Baufirma anrufen, bis ich denen so
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