Fremde Gäste
abstritt.«
Ein weiterer Grund dafür, daß der Colonel die Polizei nicht verständigte, war der, daß Graham durch ein boshaftes Spiel des Schicksals am Tage nachdem er erwischt worden war, einen ansehnlichen Gewinn einstecken konnte. Er genügte, um einen Großteil des gestohlenen Geldes zurückzuzahlen.
»Leider zu spät«, sagte er bitter. »Das hätte zwei Tage eher kommen müssen.« Ich glaube, er meinte es auch so. Jedenfalls konnte er das meiste zurückgeben, und er unterzeichnete beim Colonel einen Schuldschein für den Rest, den er, sobald er wieder im Verdienst war, schnellstens abtragen wollte. Selbstverständlich mußte er seine Stellung gleich nach Ablauf der Kündigungsfrist aufgeben, doch er würde ohne Mühe einen ebenso guten anderen Job finden. »Meiner Meinung nach«, sagte der Colonel, »sind wir deshalb seinem künftigen Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, die Tat anzuzeigen.« Doch bei dieser Vorstellung brachen Larry und ich schier in Tränen aus. Schließlich gab er nach, aber unter der Bedingung, daß Graham ihn über seine Unternehmungen auf dem laufenden hielt. Der alte Herr, dem alles Glücksspiel verhaßt war, hielt dem Missetäter eine gründliche Strafpredigt. Er müsse diese Leidenschaft unbedingt aufgeben. Der Colonel verwies darauf, daß nur sie zu dem Unheil geführt habe. Doch der junge Mann erwiderte ziemlich unbekümmert: »Es kam ja nur daher, daß ich so hoch gewettet habe. In Zukunft werde ich höchstens ein paar Dollar setzen, Sir! Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, daß ich auf dieses kleine Vergnügen ganz verzichten werde.«
Damit mußte sich der alte Herr zufriedengeben. »Er hat es einmal getan, und ich fürchte, er wird es wieder tun«, meinte er.
Ich persönlich war anderer Meinung. Ich fand, daß es für Graham eine harte Lehre gewesen war, so entehrt dazustehen vor den Augen der Menschen, die ihn gern hatten. Das hatte ihn sicherlich kuriert. Ich glaubte nicht, daß er wieder stehlen würde. Kurz ehe er unsere Gegend verließ, entschuldigte er sich bei mir. »Es tut mir schrecklich leid, Mrs. Russell. Ihr Portemonnaie war der erste Fall.«
»Vielleicht war es auch meine Schuld, Graham. Ich hätte nicht so unordentlich sein sollen.«
Doch das wollte er nicht gelten lassen. »In Ihrem Haus sollten Sie Ihren Geldbeutel überall liegenlassen können«, entgegnete er hitzig. Mir schien, daß dieser Widerspruch einen Charakterzug enthüllte, der zum besseren Verständnis seiner Handlungsweise führen könnte. Da ich aber keine Psychologin bin, verfolgte ich diese Frage nicht weiter.
Die Reaktion unserer Männer brauche ich wohl nicht zu schildern, als sie erfuhren, Larry und ich hätten uns »mitten in der Nacht« und »allein in einem verlassenen Haus« in zwei Schränken versteckt und so den Dieb gefangen.
»Ich dachte, so etwas hättet ihr jetzt abgeschafft«, sagte Paul enttäuscht. »Für unsere Kinder in der Schule wäre es nicht gerade angenehm, wenn sie erführen, was ihre Mütter treiben«, fügte Sam hinzu. »Diese ganze Angelegenheit hättet ihr euren Ehemännern überlassen sollen.«
»Und was hättet ihr unternommen?« fragte Larry spitz. »Absolut nichts! Ihr hättet nur immer weiter jeden einzelnen verdächtigt. Und auf die Idee, dem Dieb eine Falle zu stellen und ihn darin zu fangen, wäret ihr nie gekommen.«
»Wir hätten vermutlich lieber gar nichts unternommen, als unsere Frauen als Lockvögel in die Falle zu setzen«, sagte Paul wütend, und wir beide hielten es für das beste, die Affäre auf sich beruhen zu lassen.
Was Miranda wußte oder ahnte, hat keiner von uns je erfahren. Sie besaß zuviel ruhige Würde, als daß sie ihre Empfindungen gezeigt hätte. Als ich Tony danach fragte, sagte sie: »Natürlich weiß keiner von uns genau, was eigentlich geschehen ist. Ihr Älteren seid alle so verschwiegen. Wir haben uns nur gedacht, daß der arme Graham irgend etwas Dummes gemacht hat, und deshalb habt ihr ihn mit vereinten Kräften vertrieben. Das war nicht nett von euch, denn jetzt wird nichts aus unserem Theaterstück, und wir könnten schier unseren ganzen geselligen Betrieb aufgeben. Miranda? Von der erfährt keiner was. Das muß ich an ihr richtig bewundern. Ich selbst trage mein Herz auf der Zunge; einmal muß ich vor Freude tanzen, ein andermal sind meine Augen dick verheult. Miranda aber läßt sich nie etwas anmerken; ihr schönes Gesicht bleibt stets unverändert.«
»Glaubst du, daß sie sich für Graham interessierte, oder
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