Fremde Gäste
überlief es uns kalt.
Als wir soweit gekommen waren, gingen wir schlafen. Larrys letzte Worte waren: »Ist es dir eigentlich schon mal aufgegangen, Susan, welch ein Segen es ist, daß wir den Colonel haben? Man kann ihm alles anvertrauen und versichert sein, daß er alles zum besten regelt.«
»Selbstverständlich bin ich mir dessen bewußt, und ich erinnere mich auch, daß du den >Pascha< nicht leiden konntest!« So nannte ihn Larry nämlich in jener Zeit.
»Ja, wirklich, ich war eine dumme Gans. Genügt dir das? Du mußt aber auch bedenken, daß er sich sehr gebessert hat. Er schenkt sein Wohlwollen nicht nur uns; er hat auch ein offenes Ohr für die Sorgen aller anderen und nimmt sie ihnen ab, soweit er kann. Er ist ein lieber alter Knabe, und ich glaube, es würde ihm jetzt auch nichts ausmachen, wenn ich ihn so nennen würde... Aber ach, dieser Graham, Susan! Hoffentlich hat Miranda ihn nicht allzu ernstgenommen. Ich möchte nur wissen, was ihn dazu veranlaßt hat. Er hat doch ein großes Gehalt und braucht eigentlich fast nichts.«
Doch stellte sich heraus, daß Graham sehr wohl etwas brauchte, und zwar mehr Geld. Es kam alles heraus, als der Colonel ihn kommen ließ und seine Beichtvater-Aktion abhielt, wie David das sarkastisch bezeichnete. Graham hatte begonnen, beim Turf hohe Wetten einzugehen. Es war die übliche Geschichte.
Kurz ehe er in unsere Gegend kam, hatte er damit angefangen. Zuerst hatte er gewonnen. Er war voller Zuversicht, und dementsprechend waren seine Einsätze. Ich hatte das Gefühl, daß seine Hoffnungen auch Miranda betrafen, aber genau habe ich das nie erfahren können. Dann kamen die ersten Verluste, und er brauchte mehr Geld, um sie zu decken. Dann folgte der übliche Zusammenbruch; er geriet in Schulden bei seinem Buchmacher in der Stadt. Es war anständig von ihm, daß er dessen Namen auch auf Drängendes Colonels nicht nannte. Und als er eines Tages ganz verzweifelt war, sah er mein Portemonnaie liegen. So war eigentlich meine Unachtsamkeit schuld an dem ganzen Elend. (Das wollte der gute Colonel freilich nicht zugeben.) Der erste gelungene Diebstahl blieb scheinbar unbemerkt, und so ging es nun immer weiter. Auf dem Lande nimmt man es mit dem Abschließen nicht so genau, und in einem so eng verbundenen Kreis wie dem unseren verbirgt man nicht seine Unternehmungen vor seinen Freunden und Nachbarn. Und hier, wo er sich schon auf der schiefen Ebene befand, gehörte er auch noch zu dem geselligen Klub und erfuhr dadurch allerlei. Jeder, der wie er zu unserer Clique gehörte, konnte leicht auskundschaften, wann und wo man ungefährdet etwas klauen konnte.
Es war eine traurige Geschichte, und ursprünglich war der Colonel entschlossen, alles der Polizei zu übergeben. Zweierlei hielt ihn davon ab: Der erste und wohl ausschlaggebende Grund war die Tatsache, daß Larry und ich nur Zeugen eines einzigen Diebstahls waren. Ein geschickter Anwalt konnte leicht alle übrigen als unbewiesen abtun. Wir verbargen auch nicht unser Entsetzen vor dem Gedanken, in einem überfüllten Gerichtssaal unsere Aussagen zu machen und so einen jungen Mann ins Gefängnis zu bringen.
Daran glaubte der Colonel allerdings nicht. »Das ist nicht zu befürchten. Solch ein erster Verstoß gegen das Gesetz durch einen jungen Mann mit tadellosem Vorleben würde mit einer hohen Geldstrafe und einer Bewährungsfrist geahndet. Man kann das allerdings vorher nicht so genau sagen. Aber ich kann verstehen, daß Sie auch vor solch einem Urteil zurückschrecken, vor allem da Sie den jungen Menschen immer gut leiden konnten und ihm sogar jetzt nichts Böses wünschen.«
»Höchstens aus einem Grund«, sagte Larry. »Er versuchte den Verdacht auf Tom zu lenken. Es kann nicht nur Zufall gewesen sein, daß immer, wenn so etwas geschah, Tom an der Party teilnahm. Oder wenn aus einem menschenleeren Haus etwas gestohlen wurde, hatte Tom kein Alibi.«
»Ich kann Ihre Empörung wegen Ihres Protégés begreifen«, begann der Colonel, und ich mußte mir das Lachen verbeißen. Das war doch eine viel feinere Bezeichnung als »Ihr Findling«. »Aber als Unparteiischer glaube ich doch, daß es meistens, wenn nicht immer, Zufall war. Ich meine, es war für Ford nicht möglich, jedesmal zu wissen, ob Tom gerade ein Alibi hatte. Ich denke eher, er wollte den Verdacht auf alle jungen Leute lenken. Als ich ihm vorwarf, er habe Tom in Verdacht bringen wollen, leugnete er es leidenschaftlich ab. Das war das einzige, was er
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