Fremde Männer küsst man nicht!
Ihnen erst recht nicht gelingen. Sie haben mich angeklagt und aufgrund ungünstiger Umstände und Ihres eigenen Vorurteils verurteilt. Keine Sorge, ich werde nicht versagen.“
„Das könnte ich mir zeitlich auch nicht leisten“, gab er scharf zurück.
„Nicht nötig.“ Sie hielt seinem Blick entschlossen stand. „Können wir uns dann jetzt an die Arbeit machen, für die wir von diesen Frauen bezahlt werden? Ich schlage Waffenstillstand vor. Wenigstens, bis Sie einen echten Beweis gegen mich finden.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie, von ihrem strengen, mittelblonden Haarknoten über das blaue Designerkostüm bis zu den farblich passenden High Heels. „Die Jury berät noch“, erklärte er dann.
„Das reicht mir.“ Momentan zumindest. Kyle hatte über die Jahre genug Schaden an ihrem Selbstbewusstsein angerichtet. Bruce sollte sich vorsehen, wenn er meinte, sie würde sich einfach so überrollen lassen. Nie wieder, von niemandem, das hatte sie sich geschworen.
Er deutete auf einen Stapel brauner Fächermappen an einem Ende des Tischs. „Diese Ordner enthalten die Original-Gesprächsnotizen. Eidesstattliche Aussagen haben wir bisher nicht machen lassen.“ Er stand auf, ging zu einem anderen Stapel und deutete auf ihn. „Das hier sind die Verstoßmeldungen, die wir bei der Kommission für Gleichbehandlung im Beruf eingereicht haben.
Und das hier sind die Bücher, die ich besorgt habe. Fallbeispiele und relevante Gesetze. Die Präzedenzurteile sehen vielversprechend aus. Aber es hat kürzlich ein paar Gesetzesänderungen in Sachen Gleichbehandlung gegeben, möglicherweise auch hinsichtlich sexueller Belästigung. Einige der Frauen haben weitaus mehr gelitten als andere. Aber wir haben für sie alle Beschwerde eingereicht und dem Arbeitgeber einen Brief mit Änderungsforderungen geschrieben.
Wenn er darauf eingeht, kommt es zur Einigung. Wenn nicht, klagen wir auf mehrfachen Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz, sobald die Kommission uns grünes Licht dafür gibt. Wo wollen wir anfangen?“
Christina hatte ihm aufmerksam zugehört. „Am Anfang“, antwortete sie. „Das empfiehlt sich meistens. Am besten eine Chronologie aller bisherigen Ereignisse.“
„Okay.“ Bruce nickte und setzte sich wieder.
Diesmal folgte Christina seinem Beispiel und setzte sich auf den Stuhl gegenüber.
Und so saßen sie noch mehrere Stunden später, vertieft in ihre Arbeit, als Angela an der Tür klopfte und gleich darauf öffnete.
„Ich habe euch beiden Lunch mitgebracht“, sagte sie.
„Danke“, antwortete Bruce entspannt, als sei er nicht im Geringsten erschöpft davon, sich von morgens bis in den Nachmittag hinein intensiv zu konzentrieren.
„Ich hoffe Sandwiches mit Putenfleisch sind richtig?“, fragte Angela, als sie ihm die Papiertüte gab.
„Perfekt.“
„Ja, sehr schön“, sagte Christina, obwohl sie sich seit ihrer Schwangerschaft eigentlich meist vegetarisch ernährte. Aber heute war ihr das egal. Ihr Magen meldete sich vernehmlich. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie die vielen Stunden vergangen waren. Es war schließlich schon nach eins, und sie hatte heute nicht gefrühstückt. „Vielen Dank, dass Sie sich darum gekümmert haben.“
Angela lächelte. „Oh, kein Problem. Ich weiß ja, was Bruce für einen Arbeitsstil hat. Er würde überhaupt nichts essen, wenn ich ihn nicht regelmäßig dazu zwingen würde. Außerdem war es eine gute Ausrede für mich, mir mein Lieblingssandwich mit Hähnchenbrustsalat zu holen. Seit ich schwanger bin, bin ich völlig verrückt danach.“ Sie hielt inne. „Kann ich noch irgendetwas für euch tun? Der kleine Kühlschrank da hinten ist voller Getränke.“
Christina hätte das gern früher erfahren. Ihre Kehle war längst wie ausgedörrt.
„Ich denke, wir haben alles, danke“, erwiderte Bruce, und er sah Christina warnend an, damit ihr ja nicht etwa einfiel, noch irgendwelche Wünsche anzumelden.
„Ja, alles bestens“, sagte sie und schob den Stuhl nach hinten. „Aber ich muss mich mal kurz entschuldigen.“
„Zum Waschraum geht es hier entlang“, erklärte Angela, als habe sie Christinas Gedanken gelesen. Sie hielt die Tür offen und wartete.
Christina folgte ihr auf den Flur. Dies war eine günstige Gelegenheit, sich weiter miteinander bekannt zu machen. Wenn sie Angela nicht für sich gewann, hatte sie bei der Arbeit an diesem anspruchsvollen Fall schlechte Karten.
„Meine Füße tun mir weh. Gibt es hier
Weitere Kostenlose Bücher