Fremde Männer küsst man nicht!
im Ort eine Masseurin?“
„Schön wär’s“, antwortete Angela trocken. „Die Schuhe trage ich inzwischen zwei Nummern größer. Mein Mann reibt mir jeden Abend die Füße. Er hasst es, aber für mich ist es himmlisch.“
„Da haben Sie aber Glück mit Ihrem Mann.“ Kyle hätte nicht im Traum daran gedacht, so etwas zu tun. Er hatte sich nur beklagt, dass Christina aussah, als habe sie einen Basketball unter ihrer Kleidung versteckt.
„Oh ja, mein Brian ist ein echter Schatz!“, bestätigte Angela. „Wir sind jetzt zwei Jahre verheiratet, aber es fühlt sich immer noch an wie in den Flitterwochen.“ Sie waren vor der Damentoilette angekommen, und sie blieb stehen. „Ich mag Sie, Christina. Lassen Sie sich von Bruce nicht unterkriegen. Er ist ein echter Sklaventreiber, aber nur, weil er selbst so hart arbeitet und so gut in seinem Job ist. Er will immer alles mindestens hundertzehnprozentig haben. Mit weniger gibt er sich nicht zufrieden. So ist er nun mal.“
„Ach, machen Sie sich nur keine Sorgen. Ich komme gut zurecht“, log Christina.
Angela schien ihr das abzunehmen, denn sie sagte: „Super. Er ist ein toller Boss. Er weiß wirklich, was er tut. Er war Examensbester, das haben Sie sicher schon gehört. Ach, und glauben Sie bloß nicht, was immer Sie vielleicht hören, von wegen, er sei ein Casanova oder so. Das ist nur Gerede von eingeschnappten Frauen aus Morrisville, die bei ihm nicht landen können. Er ist viel zu sehr mit seiner Arbeit verheiratet. Falls Sie noch Fragen haben, rufen Sie mich einfach an.“
„Gern.“ Christina war froh über dieses Angebot.
Beim Händewaschen sah sie prüfend in den Wandspiegel. Ein paar mittelblonde Haare hatten sich aus dem straffen Knoten am Hinterkopf gelöst, und sie befestigte sie wieder. Sie hatte leicht geschwollene Augen, das kam von der Extrastunde Schlaf, mit der sie gerechnet, die sie aber nicht bekommen hatte. Bloß gut, dass Angela für eine Zwischenmahlzeit gesorgt hatte. Heute früh hatte Christina keine Zeit gehabt, sich etwas mitzunehmen. Aber morgen würde sie ihr eigenes Lunchpaket dabeihaben.
Als sie in den kleinen Konferenzraum zurückkehrte, war Bruce am Telefon. Sein Sandwich lag halb gegessen im Papier, die Halbliterflasche Cola stand daneben, nur noch halb voll.
„Such bitte nach der abweichenden Meinung in der Sache Martin gegen Blatt. Die Richter waren zwei gegen einen damit. Der Aufschrei in der Öffentlichkeit war so groß, dass danach sogar das Gesetz geändert wurde, weil es vorher nicht gerecht war. Das sollte genau das sein, was du für dein Plädoyer da brauchst. Ich setze Jessica da ran, sie soll dir die Unterlagen zufaxen.“
Während er ins Telefon lauschte, gestikulierte Bruce zu Christina, sie solle endlich essen. Ihre Tüte lag noch unangerührt auf dem Tisch.
„Ah, nein, in dieses Wespennest würde ich an deiner Stelle lieber nicht stechen. Das lenkt die Jury nur von der Hauptsache ab. Immer wieder auf denselben Punkt kommen und auf Gerechtigkeit bestehen.“ Er schwieg einen Moment. „Klar. Wir sehen uns um fünf.“
Er legte auf und sah Christina kurz an. „Holen Sie sich etwas aus dem Kühlschrank.“ Dann drückte er eine Taste auf dem Telefon und telefonierte über die Sprechanlage. „Jessica, hier ist Bruce. Graben Sie doch mal eben die abweichende Richtermeinung im Fall Martin gegen Blatt aus, und faxen Sie diese Unterlagen rüber zur Colin in Ripley. Schnellstmöglich. Ja. So wichtig ist die Sache. Nein, ich gehe heute nicht mehr selbst rüber. Legen Sie einfach los. Stellen Sie sich vor, der Termin wäre gestern gewesen, okay? Colin zählt auf Sie.“
Er ließ die Taste los und schaute auf. Christina stand immer noch. „Was ist denn? Habe ich etwas im Gesicht?“
„Nein.“
„Ich arbeitete auch über Mittag und esse zwischendurch. Das mache ich schon immer so. Ist viel effektiver, als fünf Minuten draußen rumzustehen und die Vögel anzustarren. Außerdem ist es dafür sowieso zu kalt, jetzt, wo die Kaltfront da ist.“
Christina ging zum Kühlschrank und nahm sich eine Limonadendose. Sie hätte ein wenig Koffein gebrauchen können, aber sie mochte keine Cola.
„Das war Colin Morris“, erklärte Bruce unerwartet sein Telefonat. „Sie werden ihm sicher noch begegnen. Er ist wie ich Junior-Teilhaber. Reginalds Sohn.“
„Brauchte er Hilfe bei einem Fall?“
„Beim Plädoyer verzichtet man gern auf unangenehme Überraschungen. Leider hat der Anwalt der Gegenpartei Colin eine vor
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