Fremde Schiffe
voraus. Sie durchquerten ein kleines Wäldchen und schon lag die Stadt vor ihnen. Ein Dunstschleier hüllte den Ort in einen geisterhaften Umhang. Dünner Rauch stieg von schwach glimmenden Feuern auf und schwebte wie Nebel über den niedrigen Dächern.
Vor langer Zeit hatte man eine Palisade errichtet, die während der friedlichen Jahre verfallen war. Weit und breit war kein Wächter zu sehen. Bei diesem Gunstbeweis der Götter grinsten die Männer zufrieden und schlichen auf das schlafende Dorf zu. In drei Stunden ging die Sonne auf und um diese Zeit schliefen die Menschen am tiefsten und brauchten eine Weile, sich zurechtzufinden, wenn sie aus ihren Träumen gerissen wurden.
Im Gänsemarsch schlichen sie durch eine Lücke in der alten Palisade, ohne einen Laut zu verursachen. Keine Stimme erhob sich, kein Tier schrie auf. Rasch gelangten sie in die Stadtmitte, die aus dem üblichen Markt- und Versammlungsplatz bestand.
Hier gab es keine Dachschindeln, sondern nur mit Reet gedeckte Dächer. Ilas wählte ein größeres Gebäude aus und wies auf das Dach. Einer der Seeleute entdeckte ein glühendes Kohlebecken, über dem Fische geröstet wurden und hielt eine mit Öl getränkte Fackel hinein. Augenblicke später flackerte sie hell auf und auch die übrigen Männer entzündeten ihre Fackeln.
Das Reet war alt und brannte lichterloh. Kurz darauf erhob sich eine Flammensäule zum Himmel und die Piraten stießen ein grauenvolles Geheul aus. Der nächtliche Friede war zerstört. Aus jedem Haus ertönten Alarmschreie und verschlafene Menschen stolperten ins Freie. Frauen kreischten und Kinder weinten voller Angst und Entsetzen.
Ein paar bewaffnete Männer eilten aus ihren Häusern, Sie wurden sofort niedergemetzelt. Die übrigen Bewohner wurden von den Piraten auf dem Marktplatz zusammengetrieben. Jeder Widerstand wurde augenblicklich und endgültig im Keim erstickt. Bis auf die weinenden Kinder standen die Menschen schließlich schweigend und reglos da, entsetzt über das Grauen, das so plötzlich in ihr Leben gedrungen war.
»Sortiert sie aus!«, befahl Ilas. »Wir nehmen nur die besten mit.« Hastig trennten die Piraten die in Gruppen zusammenstehenden Menschen. Die schönsten Frauen und die kräftigsten Kinder wurden ausgewählt und zum Fluss getrieben, wo das Schiff längsseits drehte und die Laufplanke an Land glitt.
Ein paar Männer begriffen endlich, was hier geschah. Einer von ihnen stieß einen unverständlichen Schrei aus und ergriff den Arm einer Frau, die zum Fluss getrieben wurde. Ein Pirat stieß ihm den Speer durch die Kehle und der Mann brach blutüberströmt zusammen. Seine Gefährten brüllten vor Zorn und schienen rebellieren zu wollen.
»Bringt sie um!«, befahl Ilas. »Sie sind nutzlos.«
Die Piraten befanden sich in der Minderheit, aber sie waren gut bewaffnet und die Einheimischen waren nackt. Speere fuhren durch die Luft, Schwerter und Äxte hoben und senkten sich, Keulen schlugen zu. Eine Flucht war unmöglich und bloße Hände vermochten es nicht mit Metallwaffen aufzunehmen. Wenig später lagen mehr als hundert Männer auf dem Boden, der von dem vielen Blut ganz schlüpfrig wurde. Die Überlebenden – größtenteils Alte und Schwache – kauerten entsetzt auf dem Marktplatz.
Die Piraten stürmten in die Häuser und suchten nach Wertgegenständen. Der Ort war nicht reich, aber man kannte die Vorliebe der Leute, Dinge zu horten. Schon bald wurden einzelne Bewohner gefoltert, um Verstecke preiszugeben. Der eifrigste Folterknecht war der Mann, der einst als Sklave im Ort gelebt hatte. Nach einem langen Verhör schnitt er dem Dorfältesten die Kehle durch.
»Sollen wir die anderen auch umbringen?«, fragte Tagas, als die ersten Strahlen der Morgensonne die grässliche Szenerie beleuchteten.
Ilas sah zu den Alten, den Kranken und jenen Kindern hinüber, die noch zu klein waren, um die Reise zu überstehen. »Nein, das dauert zu lange. Wir haben hier schon zu viel Zeit verbracht. Außerdem haben wir, was wir wollten. Zurück zum Schiff!«
Sie setzten die übrigen Häuser in Brand, um die Überlebenden für eine Weile zu beschäftigen und gingen an Bord. Nach einigen angestrengten Ruderschlägen erreichten sie das Meer und die Strömung trug sie davon. Schon bald blähte der Südwind die Segel auf.
»Eine gute Nacht«, meinte Ilas und musterte die Sklaven und die Beute. »Noch ein paar solcher Orte und wir können zu den Inseln segeln.«
Die Männer, die das Blutvergießen und die
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