Fremde Schiffe
leben von einem Tag zum anderen, nehmen uns lohnende Beute und entspannen uns während der Sturmzeit im Hafen.«
Tagas grinste und lachte in sich hinein, was ein dumpfes Krächzen tief in seiner Kehle verursachte. »Aye, aye!« Ernsthaft fügte er hinzu: »Hältst du die Reise zu den Sturminseln für eine gute Idee? Die Menschen dort sind schwer einzuschätzen und reich sind andere Küstenstädte allemal.«
»Niemand ist jemals reich genug«, meinte Ilas. Er neigte sich dem Freund zu und sagte mit leiser Stimme: »Aus sicherer Quelle weiß ich, dass sich die Flotte versammelt, um die Inseln anzugreifen. Vielleicht ist dies die letzte Gelegenheit, am Reichtum der Insulaner teilzuhaben.«
»Im Ernst? Neva hat schon früher eine Schlappe erlitten und diesmal haben sie keinen König Hael, der auf ihrer Seite kämpft.«
»Stimmt. Aber was schert es uns, wenn Shazad eine Katastrophe heraufbeschwört? Alles, was die Flotte schwächt, stärkt uns. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Vielleicht gibt es auch keinen Gasam mehr, der die Insulaner anführt. Wenn seine Truppen besiegt sind, erwartet uns reiche Beute auf den Inseln. Die Leute sind Wohlgestalt, und ihre Frauen und Kinder erzielen beste Preise auf dem Sklavenmarkt.«
»Und wir wären die ersten, die an Ort und Stelle eintreffen! Du hast gut nachgedacht, Kapitän«, sagte Tagas anerkennend.
»Deshalb bin ich der Kapitän«, antwortete Ilas gelassen. Er war sehr zufrieden. Er hatte die besten Banditen ausgesucht, hervorragende Seeleute, und er kommandierte ein erstklassiges Schiff. So gebührte es sich für einen Edelmann, aber in der Welt ging es nicht immer gerecht zu. Er liebte die Freiheit des Meeres und hatte die Instinkte eines Raubtiers.
Am meisten reizte ihn die Aussicht, Landbesitz und einen Titel zu erringen. Seit Generationen gehörte seine Familie zum Landadel. Er liebte es, sich wie ein richtiger Graf aufzuführen, denn das war der Rang, der ihm seiner Meinung nach zustand. Die Vorfreude auf diesen Titel und den dazugehörigen Grundbesitz war so groß, dass sie ihm fast körperliche Schmerzen zufügte.
Er traute niemandem, ging aber davon aus, dass ihn Königin Shazad nicht hintergehen würde. Sie stand in dem Ruf, streng und oft sogar skrupellos zu sein, aber nicht grausam oder hinterhältig. Natürlich gab es für ihre Abmachung keine Zeugen und sie konnte ihn jederzeit verleugnen, aber damit rechnete er nicht. Er hatte schon mit vielen Männern und Frauen zu tun gehabt, vor allem mit besonders üblen Charakteren. Nur die wenigsten schafften es, in der Öffentlichkeit ehrbar und aufrecht zu handeln, während sie insgeheim hinterhältig waren. Innere Schlechtigkeit ließ sich niemals völlig verbergen. Shazad regierte seit vielen Jahren und bisher gab es keine Anzeichen für einen schlechten Charakter.
Bei Larissa sah die Sache völlig anders aus und er schämte sich nicht, dass ihm bei dem Gedanken an diese Frau das Herz in die Hose rutschte. Ilas war sich bewusst, dass er kein guter Mensch war, aber wenigstens war er ein Mensch. Bei Larissa und Gasam war er sich dessen nicht so sicher. Die beiden waren wie Dämonen aus der Unterwelt, die Schönheit und Macht, Fleisch und Blut besaßen. Sie behandelten ihre Untertanen nicht wie andere Könige ihre Untergebenen, sondern eher, als gehörten sie einer völlig anderen Rasse an.
Nur ein Verrückter würde ihnen ohne Furcht gegenübertreten. Welche Fehler Ilas von Nar auch haben mochte, verrückt war er nicht.
Einer der Matrosen, der einem halb zivilisierten Volk aus dem Norden entstammte, kannte eine Stadt, kaum größer als ein Dorf, die unweit der Küste an einem Fluss mittlerer Größe lag. Dank des flachen Rumpfs konnte die Seeschlange sich unbeobachtet nähern, denn genau unterhalb der Stadt vollführte der Strom eine scharfe Biegung. Der Seemann hatte dort lange als Sklave gelebt und freute sich auf den Überfall.
Der ehemalige Sklave stand am Bug und lotete die Tiefe aus, als die Seeschlange im Mondlicht den Fluss erreichte. Die Ruderdollen waren mit Sackleinen umwickelt, um jedes Geräusch zu dämpfen. Lautlos wie ein Geist glitt das Schiff durch den nächtlichen Dunstschleier. Die Matrosen warteten voller Unruhe und hielten nach Fischern Ausschau, die Alarm geben würden. Aber es war niemand zu sehen und sie näherten sich unbemerkt der Stadt. Der Fluss bildete eine kleine Bucht, in der die Piraten anlegten und ans schlüpfrige Ufer sprangen.
Ilas und der ehemalige Sklave gingen
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