Fremde Schiffe
Mutter lebte. Er sprach von den riesigen Herden wilder Tiere – von den Grasfressern und den Raubtieren.
Sachu hörte gespannt zu. »Ein Inlandvolk, nicht wahr? Und ihr habt hauptsächlich Vieh? Nun, meine Königin wird mit euch in Verbindung treten, aber ich sehe wenig Sinn für Handelsbeziehungen. Unsere Schiffe können nur wenige Tiere befördern. Was ist mit Juwelen?«
»Nein, davon weiß ich nichts. Bei uns gibt es Felle im Überfluss und wunderschöne Federn. Ein paar Tiere liefern Elfenbein.« Er war nicht gewöhnt, wie ein Kaufmann zu reden.
»Das hört sich schon besser an. Metall?«
»Wir haben Stahl.«
»Stahl!« Sachu richtete sich so hastig auf, dass er mit dem Kopf an die niedrige Decke stieß.
»Haben dir die Leute nicht von Hael, dem Stahlkönig erzählt?«
»Ich hörte den Namen, hielt ihn aber für einen Hinweis auf seinen Charakter, wie zum Beispiel ›Hael, der Schreckliche‹ oder ›Hael, der Kriegerische. ‹«
»Nein, es bedeutet, dass er die einzige Stahlmine der Welt besitzt.«
»Eine Stahlmine! Davon habe ich noch nie gehört. Stahl wird jahrhundertelang gehortet und wenn er einmal verloren ist, dann für immer. Königin Larissa zeigte uns ihr Arsenal voller Stahlwaffen, aber ich dachte, sie hätte den Rest der Welt dafür ausgeplündert.«
»Beinahe. In meiner Kindheit war Stahl das seltenste Metall der Welt. Schwerter hatten Klingen aus Bronze mit Stahlkanten. Dann entdeckte Vater die Stahlmine. Stahl ist immer noch kostbar, aber viel öfter anzutreffen. Ich bin überrascht, dass Königin Shazad nichts davon erwähnt hat.«
»Angesichts der Seuche – ich glaube übrigens immer noch nicht, dass wir sie mitbrachten – und des Krieges hatte Königin Shazad wenig Zeit, sich mit uns zu unterhalten. Sie schrieb einen formellen Brief an meine Herrin, den sie mir gab, und schlug vor, wir sollten irgendwann zurückkehren. Dabei machte sie deutlich, dass besser etliche Jahre verstreichen sollten.«
»Nun, ob gerecht oder nicht, die Seuche hat euch bei den Nevanern in Misskredit gebracht.«
»Dein Vater hat aber vieles zu bieten, wenn ich an die Stahlmine denke.«
»Ich weiß nicht, wie groß unsere Vorräte sind, aber er treibt mit jedem Handel, der kaufen will. Nun, nicht mit jedem. Mit Mezpa ganz bestimmt nicht.«
»Schon wieder ein Krieg?« Sachu seufzte betrübt. »Es ist schwierig, Kontakte zu knüpfen, wenn alle Länder gegeneinander Krieg führen.«
»Daran musst du dich gewöhnen. Wir bekämpfen einander, seit ich denken kann. Seit irgendjemand denken kann.«
»Aber der Stahl! Für Stahl nehme ich eine ganze Menge Ärger auf mich!«
Die Reise ging nicht schnell vor sich, obwohl sie keine große Entfernung zurücklegen mussten. Um diese Jahreszeit blies der Wind von Süden und das Schiff kreuzte mühsam im Zickzackkurs voran.
Es ging langsam, aber die Nevaner wunderten sich, dass es überhaupt möglich war. Ihre eigenen Schiffe waren dafür nicht ausgerüstet und sie mussten sich auf die Ruder verlassen, wenn ungünstige Winde herrschten. Königin Shazad hatte Kapitäne auf allen fremden Schiffen untergebracht, um die Handhabung genau zu beobachten. Sie plante, eine völlig neue Flotte zu bauen, sobald der Krieg vorüber war.
Larissa achtete nicht auf den Wind. Das Segeln machte ihr Vergnügen, aber in ihren Augen diente ein Schiff nur dazu, Krieger von den Inseln zum Festland zu bringen, damit sie sich mit Plündern und Kämpfen beschäftigten. Das Knarren der Taue und Masten war angenehm, doch sie machte sich nie die Mühe, nach oben zu sehen und den Sinn und Zweck der Takelage zu enträtseln.
Tag für Tag stand sie an der Reling und wartete. Die Matrosen musterten sie unverhohlen. Sie hatten nicht oft Gelegenheit, eine wunderschöne Königin in Ketten zu sehen. Die Nevaner verhielten sich feindselig oder ängstlich, die Ausländer höflich, aber abweisend. Letzteres geschah sicherlich auf Sachus Befehl hin.
Eines Abends stand Larissa noch an der Reling, als die Sonne längst wie ein Feuerball im Meer versunken war und sich das Narbengesicht des Mondes über dem Festland im Osten erhob. Sie waren nicht mehr weit von Kasin entfernt. Larissa bewunderte die glänzenden Schaumkronen der Wellen. Gewaltige Aale glitten dicht unter der Wasseroberfläche dahin und vertrieben sich die Zeit mit Nahrungssuche, Paarung und dem Ausweichen vor ihren Feinden. Ein Mann kam auf sie zu und zog grüßend den Federhut. Es war nicht Sachu.
»Guten Abend, mächtige
Weitere Kostenlose Bücher