Fremde Schiffe
Ilas?«
»Beständigkeit, Majestät.«
»Richtig, dass sie sich in Beständigkeit übt. Sie wirft ihre Grundsätze nicht einfach über den Haufen, sondern lässt sich von ihrer Ehre lenken. Eine Dummheit, besonders bei einer Herrscherin. Ich richte mich danach.«
»Das Ganze erscheint mir höchst unsicher«, bemerkte Pendu.
Gasams Gesicht nahm einen beinahe verträumten Ausdruck an. »Das ist etwas ganz Neues für mich. Ich fühle mich wie ein Schauspieler in einem dieser nevanischen Stücke. Ich mache schon viel zu lange immer das Gleiche. Ich denke, es wird mir Spaß bereiten.«
Ilas’ Vermutung bewahrheitete sich: Gasam war ein Kind, ein wilder Knabe, der andere gemäß seinen Wünschen benutzte. Ein solcher Mann ließ sich beeinflussen, aber bisher hatte das nur Larissa getan.
»Ich habe mich entschieden«, sagte Gasam endlich. »Ilas, hole dein Schreibzeug. Ich werde Königin Shazad einen Brief schicken.«
»Gasam?«, fragte Shazad, die ihren Ohren nicht traute. »Er will persönlich mit mir verhandeln?«
»Das steht in seinem Brief, meine Königin«, bestätigte ihr Sekretär.
»Lies ihn noch einmal vor«, befahl sie.
»An Königin Shazad von Neva. Gasam, König der Inseln, sendet dir seine Grüße.
Du hast mir das Kostbarste auf der Welt geraubt, das mir noch kostbarer ist als die Welt selbst. Ich bin zu Verhandlungen bereit und sobald du zustimmst, wird dich die folgende Gesandtschaft aufsuchen, unter Einhaltung deines Versprechens hinsichtlich ihrer Sicherheit:
Erster Gesandter: Gasam, König der Inseln.«
Der Sekretär überflog das Pergament und seine Augen wirkten hinter den dicken Brillengläsern riesengroß. »Es folgen fünf andere Namen, die sich alle nach Shasinn anhören. Außerdem fordert er eine Sicherheitsgarantie für sein Schiff und seine Besatzung.«
»Ein Trick?«, fragte Harakh.
»Wie sollte das sein? Wenn er sich von der Armee trennt und nur mit einer kleinen Eskorte hierher segelt, liefert er sich uns vollständig aus. Wir erfahren sofort, wenn seine Armee weitermarschiert.« Sie sah den Kommandeur der Späher an. »Sie lagert noch am selben Ort?«
»Seit Gefangennahme der Königin haben sie sich keine Meile weiter bewegt«, versicherte er.
»Ich weiß nicht«, sagte Harakh. »Das sieht ihm überhaupt nicht ähnlich. Wir alle wissen, wie ungestüm er ist. Vielleicht handelt es sich um den Teil einer …« Ihm fehlten die Worte. »Ich weiß es nicht, aber es gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Gasam ist nicht hintergründig«, entgegnete Shazad. »Larissa ist die Intrigantin, aber sie ist hier.«
»Wen interessiert, was er plant?«, warf Graf Chutai ein. »Soll er mit seinem Schiff kommen. Sobald er an Land geht, töten wir ihn.«
»Nein!« Shazad war außer sich. »Ich werde mein Wort nicht brechen. Dann ist meine Ehre auf der ganzen Welt nichts mehr wert!«
»Meine Königin«, meldete sich ein Ratgeber zu Wort, »du musst vernünftig sein. Kein wirklicher Herrscher sieht Gasam als gleichwertig an. Er hat keinen Stammbaum, gehört zu keiner Dynastie und hat keine Erben. Seine Eroberungen waren kurzlebig und er besitzt nur ein paar Inseln voller nackter Barbaren. Er ist ein Wilder, ein Emporkömmling und ein Pirat.«
»Mein Wort ist heilig, ob es dem König von Chiwa, Gasam oder dem Rudersklaven seines Schiffes gegeben wurde! Bei Larissa war es anders. Sie wurde im offenen Kampf verschleppt und ich kann mit ihr machen, was ich will. Ihr Tod stand uns frei. Wenn ich ihn empfange, ist die Möglichkeit verfallen.« Sie dachte angestrengt nach, während die Männer schwiegen. Endlich fuhr sie fort.
»Also gut. Ich lasse die Gesandtschaft hierher kommen, mit Gasam als Anführer. Sie steht unter meinem Schutz und wird das Land ungehindert wieder verlassen. Damit gehen wir kein Risiko ein. Was auch immer er in seiner furchtbaren Arroganz denkt: er kann uns nichts anhaben.«
»Ich glaube, Majestät unterschätzt die Fähigkeit dieses Mannes, Schaden anzurichten«, bemerkte ein älterer Mann.
Später, als alle fort waren, nippte Shazad an ihrem Wein und überdachte ihre Entscheidung. Sie war sicher, dass Gasam keine Gefahr darstellte. Inmitten seiner Feinde konnte er nichts unternehmen, da er genau wusste, dass ihre Leibwächter und Offiziere ihn beim ersten Anzeichen von Verrat umbringen würden.
Aber sie wusste genau, dass dies nicht alles war. Sie war eigenartig neugierig, ihn wieder aus der Nähe zu sehen. So schlimm die Zeit als seine Gefangene war, so war es
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