Fremde Wasser
Als hätte er den ganzen Abend gesoffen. Kotzgefühl im Bauch. Brennen im Hals. Hämmern in den Schläfen.
Er legte John Lee Hooker auf. John Lee ordnete die Welt.
Good man feelin' bad.
Er kotzte.
Kniete vor der Schüssel, bis nur noch Galle kam.
Nahm eine heiße Dusche.
Good man feelin' bad.
Legte Junior Wells auf.
Der reinigt die Seele.
Everything gonna be allright.
Noch mal Junior.
Do you ever been mistreated
you know what I'm talkin' about
Er dachte an die beiden Typen von gestern Abend.
Er hoffte nicht, dass sie sich noch einmal in die Nähe des Basta wagen würden.
Er brühte sich einen doppelten Espresso.
Die Milch war schlecht.
Dann eben mit Zucker.
Er schlürfte heißen, süßen Kaffee.
Setzte sich auf einen Küchenstuhl und blieb endlos lang sitzen.
Um neun Uhr rief er den Witwer an.
Der schien nicht überrascht.
»Ah, der falsche Polizist. Ich wurde über Sie informiert.«
»Ich bin privater Ermittler. Ich arbeite im Auftrag Ihrer Schwiegermutter.«
Der Mann lachte: »Das ist genauso eine schlechte Lüge.«
»Sie hat mich engagiert, weil sie nicht an einen natürlichen Tod Ihrer Frau glaubt.«
Schöllkopf schwieg.
»Ihre Schwiegermutter saß hier in meinem Büro und unterschrieb einen Ermittlungsauftrag – im Namen des Heiligen Antonius.«
»Das ist absurd.«
»Sie glaubt nicht an den Infarkt ihrer Enkelin, weil …«
»... alle in ihrer Familie immer ein gesundes Herz hatten. Diese Leier hat sie mir tausendmal aufgesagt.«
»Und? Stimmt sie?«
»Angelika hatte ein kräftiges Herz. In ihrer Kindheit war sie hier in einem Berliner Ruderclub. Aber deshalb einen Privatdetektiv
einschalten ... Ich kann's nicht glauben.«
»Sie hat mir 7000 Euro bezahlt.«
Schöllkopf lachte.
»Jetzt haben Sie sich verraten. Meine Schwiegermutter hat keinen Pfennig eigenes Geld. Alles was sie hat, bekam sie von Angelika
und mir. Und wir haben ihr nie größere Beträge gegeben. Sie hat nicht einmal 200 Euro Rücklagen.«
»Ich habe das Geld auf meinem Konto.«
»Unmöglich.«
»Rufen Sie sie doch an.«
»Mach ich.«
Sie legten auf.
Dengler warf die Espressomaschine ein zweites Mal an.
Heiß und süß.
Er wählte noch einmal Schöllkopfs Nummer.
»Sie war tatsächlich bei Ihnen und hat auch etwas unterschrieben«, sagte Schöllkopf.
»Und hat 7000 Euro bezahlt.«
»Hat sie nicht. Sie hat keinen Cent. Der Heilige Antonius habe das erledigt, sagt sie.«
Dengler überfiel plötzlich eine unangenehme Ahnung.
Er musste das Thema wechseln.
»Ich habe bisher nur zwei Personen gefunden, die ein Motiv für einen Mord haben«, sagte er.
Pause.
»Sie und Doris.«
»Da haben Sie ja gut gearbeitet.«
»Hmm.«
»Aber nicht gut genug.«
»Ich höre.«
»Wir haben uns gestern getrennt. Einvernehmlich. Für mich war Doris eine angenehme Abwechselung neben meiner Frau, die ich
übrigens immer liebte. Mehr nicht. Und ich? Ich glaube, ich war für Doris immer interessant, solange ich gebunden war. Sie
hat sich nun für einen anderen Mann entschieden. Erneut für jemanden, der verheiratet ist.«
Pause.
»Ihr Motiv ist dahin.«
»Sieht so aus«, sagte Dengler und legte auf.
Er nahm seine Notizen, die immer noch auf seinem Schreibtisch lagen, und strich durch:
Motiv 1: Ehemann. Er hat ein (offensichtlich andauerndes) Verhältnis mit einer anderen Frau.
Motiv 2: Geliebte. Will das Verhältnis nicht länger geheim halten.
Nun blieb noch:
Motiv 3: Die verschwundene Rede
Er ging ins Basta.
* * *
Am Nachmittag klingelte das Telefon.
Dengler nahm ab.
»Krummacher hier. Anneliese Krummacher ... Sie wissen, wer ...?«
»Ja. Sie sind die Sekretärin von Angelika Schöllkopf.«
»War! Ich war ihre Sekretärin. Ich arbeite demnächst für eine große Kanzlei in Berlin.«
»Ich erinnere mich.«
»Sie suchten doch die Rede. Die letzte Rede ..«
»Ja?«
»Ich habe sie gefunden.«
Dengler stutzte. Dann fasste er sich.
»Wo war sie?«
»Bei meinen Unterlagen. Ich habe sie aus Versehen falsch abgeheftet. Wollen Sie das Manuskript haben?«
»Ja.«
»Ich faxe sie Ihnen am besten.«
»Gut.«
»Geben Sie mir Ihre Faxnummer?«
Dengler nannte sie ihr.
»Kommt sofort«, sagte sie betont munter und legte auf.
Dengler drehte sich um und fixierte nachdenklich das Faxgerät.
Nichts.
Nach drei Minuten setzte sich die Maschine mit einem leisen Knurren in Gang. Ein Blatt wurde eingezogen und bedruckt wieder
ausgestoßen. Ein zweites Blatt wurde eingezogen und bedruckt wieder
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