Fremde Wasser
ihm. Und für ihren Beitrag entschuldigen sich in der Pause bei ihm gleich drei ihrer Kollegen.
Als Segen erweist sich für ihn, dass die SPD die frühere Finanzministerin von Hessen, Anette Fugmann-Heesing, nach Berlin
beruft. Warum sie das tut, kann Crommschröder nicht in Erfahrung bringen, selbst der Puderer schüttelt den Kopf. Fugmann-Heesing
musste in Wiesbaden unrühmlich nach einem Filzskandal um die Lotterie Treuhand GmbH/ Wiesbaden abtreten. In Berlin titelt
die Berliner Morgenpost über sie: »Sie kam, sah und verkaufte«.
Crommschröder ist es recht. 1999 kann er das für unmöglich gehaltene Geschäft unter Dach und Fach bringen. 49,9 Prozent gehen
an die VED. Mehr noch: Er schließt einen geheimen Konsortialvertrag mit dem Senat, den die Abgeordneten nicht zu sehen bekommen
und von dem die Öffentlichkeit erst erfährt, als es zu spät ist. Darin verzichtet der Senat, obwohl immer noch Mehrheitseigentümer,
auf jede Beteiligung an der Geschäftsführung der Berliner Wasserwerke. Crommschröder schickt seine Krieger ins Unternehmen.
Jeder Wartungsvertrag wird geprüft. Muss die Pumpewirklich in den Intervallen gewartet werden, die der Hersteller vorschreibt? Was geschieht, wenn wir sie nicht warten oder
sehr viel seltener? Wie viel bringt uns das?
Welche Grundstücke gibt es? Welche können wir verkaufen? Wie viel bringt uns das? Welche Rückstellungen gibt es? Können wir
sie auflösen? Wie viel bringt uns das? Welche Aufträge werden nach außen gegeben? Können wir sie streichen? Wie viel bringt
uns das? Welche Investitionen sind geplant? Können sie gecancelt werden? Wie viel bringt uns das?
Der Clou in dem geheimen Abkommen ist jedoch die mit dem Senat vereinbarte Gewinngarantie. 8 Prozent Gewinngarantie sicherte
der Senat zu, freundlicherweise nicht berechnet auf die Kaufsumme von 1,687 Mrd. Euro, sondern auf das betriebsnotwendige
Kapital von über 3 Mrd. Euro.
In der Konzernzentrale knallen die Korken. Landmann ist aus Frankfurt angereist und verbreitet seine Pestilenz in einer kleinen
Ansprache im Direktorenkreis. Er lobt Cromm-schröder über den grünen Klee, und besonders eine kleine Formulierung sagt sich
Crommschröder immer wieder auf wie ein Mantra: Dr. Crommschröder ist ein Mann mit großer Zukunft. Er hat Waldner genau im
Auge gehabt, das wilde Zucken im Gesicht seines Konkurrenten entgeht ihm nicht. Er ist auf dem Weg nach oben, nach ganz oben.
* * *
Das Berliner Wasser spült viel Geld in die Konzernkasse. Nur einmal jagen sich die Krisensitzungen, Crommschröder verbringt
etliche Stunden mit dem Puderer: Die Linkspartei ist in die Berliner Regierung eingetreten, und einer der schärfsten Kritiker
der Wasserprivatisierung wird Wirtschaftssenator. Der VED-Vorstand befürchtet, dass der Senat die Wasserwerke wieder zurückhaben
will. Doch die Unruhe währt nur kurz. Bald heulen alle wieder mit den Wölfen.
* * *
Ein paar Monate später kauft sich Crommschröder in eine neu entstandene gated community in Potsdam ein. Sie heißt secure living und stellt die Wohnform der Zukunft für die deutsche Leistungselite dar. So sagt es jedenfalls der Immobilienmanager, der
Crommschröder das Anwesen vermittelt. Secure living liegt an einem sehr schönen, sehr großen Potsdamer See und ist rundherum
eingezäunt. Es gibt zwei Pforten, die ständig besetzt und bewacht sind. Bewaffnetes Wachpersonal mit Hunden kontrolliert permanent
die Zäune entlang. Im Inneren sieht man von den aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen jedoch wenig.
Crommschröders Haus ist das größte, es hat einen eigenen Park, und ein Teil des Seeufers gehört ihm. Eigene Bootsanlegestelle.
Ein kleineres Haus für die Unterbringung von Gästen. Ein noch kleineres, aber komfortables Haus für Personal.
Heike besteht auf Mülltrennung im neuen Haus. Dies sieht das Konzept von secure living jedoch nicht vor. Es kostet Stefan C. Crommschröder ein weiteres kleines Vermögen, dass die Betreibergesellschaft den Müll
getrennt einsammelt, auch wenn sie ihn später wieder zusammenwirft, bevor er in die Müllverbrennungsanlage gefahren wird.
Der Kauf des Anwesens, die Umbauten – all das kostet ihn sehr viel Geld. Mehr Geld, als er im Augenblick zur Verfügung hat.
Er nimmt Kredite auf. Kein Problem, Herr Crommschröder, sagt die Bank. Auch die Häuser, die er in Berlin-Mitte und am Prenzlauer
Berg gekauft hat und in denen Susan und Irene wohnen, kosten mehr Geld, als er hat. Kein
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