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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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ausgestoßen.
    Dann war Schluss.
    Dengler starrte auf die beiden Blätter.
    Zog sie aus dem Schacht.
    Briefkopf des Bundestages.
    Angelika Schöllkopf, MdB.
    Er las.
     
    Sehr geehrter Herr Präsident!
    Liebe Kolleginnen und Kollegen!
    Die konservative Fraktion begrüßt die Änderung des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen und insbesondere die Streichung
     des Paragraphen 103 alter Fassung. Die Bundesrepublik schließt damit auf zu den modernen Staaten dieser Welt, organisiert
     eine fortschrittliche Versorgung ihrer Bürger mit hochwertigem Trinkwasser. Es ist nicht nur nicht mehr zeitgemäß, lokale
     Monopole und Fürstentümer zu schützen, sondern geradezu schädlich. Selbst Länder der so genannten Dritten Welt sind uns hier
     weit voraus. Selbst ein Land wie die Philippinen ist uns in diesem Punkt voraus. In Manila, der Hauptstadt des Landes, sind es seit vielen
     Jahren zwei private Unternehmen, die die öffentliche Versorgung optimal gewährleisten. In Argentinien...«
     
    Dengler legte das Blatt zurück. Dann ging er zu der Stellwand, an der die Liste der Motive hing, zog seinen Kugelschreiber
     und strich erneut.
    Motiv 3 Die verschwundene Rede
    Schöllkopfs Rede war harmlos. Nur eine belanglose Akklamation dessen, was intern schon längst beschlossene Sache war und worüber
     an diesem Freitag, ihrem Todestag, im Bundestag abgestimmt werden sollte.
    Der Redebeitrag einer Hinterbänklerin.
    Das war also der Fall des Heiligen Antonius.
    Nichts.
    Auch das kommt vor.
    Er griff zum Hörer und wählte die Nummer der alten Dame.
    Ihre Tochter sei eines natürlichen Todes gestorben, sagte er ihr. Es gäbe kein Motiv für einen Mord.
    Er spürte, dass die alte Dame ihm nicht glaubte. Wie sollte sie auch, denn er selbst glaubte keinen Satz, den er ihr gesagt
     hatte.
    Dengler ging zum Fenster.
    In diesem Jahr wollte es nicht Frühling werden.
    Draußen zogen schwere Regenwolken auf.

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    Berliner Wasser
    Stefan C. Crommschröders Meisterstück ist der Teilerwerb der Berliner Wasserwerke für die VED. Dabei scheint dieser Kauf zunächst
     völlig unwahrscheinlich. Die Berliner Wasserwerke waren ein gut geführtes Unternehmen. Sie brachten dem Berliner Stadtsäckel
     jedes Jahr einen dreistelligen Millionengewinn, den der Wirtschaftssenator fest in den Etat der Stadt einplanen konnte. Ihr
     Verkauf machte für die Stadt Berlin keinen Sinn.
    Allerdings hatte die konservative Partei in Berlin ein Finanzdesaster ohnegleichen angerichtet. Die Berliner Bankgesellschaft,
     eine kommunale Bank, legte Immobilienfonds mit hohen Garantieausschüttungen auf, die nach dem Schneeballprinzip funktionieren.
     Es mussten immer neue Immobilien in die Fonds eingebracht werden, um die alten Löcher zu stopfen. Irgendwann brach die Bank
     zusammen, und der Berliner Haushalt hatte ein Defizit, das sich gewaschen hatte.
    Wäre es dem Senat allein nur ums Geld gegangen, hätte er auch die künftigen Gewinne der Berliner Wasserwerke beleihen können.
     Aber Crommschröder merkt in den ersten Unterredungen bald, dass die verantwortlichen Politiker, damals regiert in der Stadt
     eine große Koalition, unbedingt verkaufen wollen. Egal, ob es sinnvoll für die Stadt ist oder nicht.
    So werden die Verkaufsverhandlungen mit dem Berliner Senat für Crommschröder eine interessante Erfahrung. In der konservativen
     Partei wird die Privatisierung oder Teilprivatisierung als Modell propagiert. Gemäß dem Schlagwort des »Schlanken Staates«
     solle dieser sich mehr und mehr aus der öffentlichen Daseinsvorsorge zurückziehen. Crommschröder verachtet seine Gesprächspartner.
     Sie kommen ihm vor wie die trunken gemachten Indianerhäuptlinge aus denWesternfilmen seiner Jugendzeit. Für ein paar Glasperlen und eine Wagenladung Feuerwasser verkaufen sie das Land ihrer Vorfahren.
    Crommschröder macht einen Test, den seine Krieger tollkühn finden. Er lädt den Wirtschaftsausschuss des Senats nach London
     ein. Sie bekommen gut zu essen und gut zu trinken. Beste Hotels. Dann trägt er seinen Plan vor. Verschweigt nichts. Auf farbigen
     Folien erläutert er, wie die Vorstandsbezüge steigen und die Beschäftigtenzahl fallen werden, wie der Wasserpreis sich nach
     oben und die Investitionen sich nach unten entwickeln werden. Am Ende seines Vortrags schaut er in die Runde und denkt, dass
     sie die VED zum Teufel jagen werden, wenn sie nur einen Funken Anstand im Leib haben. Haben sie aber nicht. Nur eine Abgeordnete
     der SPD widerspricht

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